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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornell Woolrich
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Sie
weggegeben oder verkauft haben? Haben Sie vorher die Taschen leergemacht? Der
Schein könnte ja noch drin gewesen sein .«
    »Nein, Mr. Westcott, da bin ich ganz
sicher. Die Frau muß noch geboren werden, die nicht sämtliche Taschen ausräumt
und das Futter nach außen kehrt, bevor sie die alten Kleider ihres Mannes weggibt.
Das tut eine Frau instinktiv, ebenso wie sie sich die Frisur zurechtstreicht.
Ich kann mich noch genau daran erinnern, daß ich es gemacht habe - es ist
schließlich noch nicht so lange her - und die Taschen waren leer .«
    »Aha.« Er strich sich nachdenklich
übers Kinn. »Und was ist mit dem dritten auf der Liste — dem dunkelblauen
Zweireiher? Was ist aus dem geworden ?«
    Verlegen senkte sie die Augen. »Der war
praktisch noch neu; er hat ihn nur einmal angehabt. Naja, und als er dann
starb, hatte ich auch nicht so viel Geld und hab keinen neuen gekauft, sondern
den herausgelegt, hab sie ihm den anziehen lassen .«
    »Mit anderen Worten, er wurde darin
begraben .«
    »Ja. Aber da ist der Schein natürlich
nicht drin .«
    Er sah sie eine Zeitlang an, ehe er
etwas erwiderte. Dann fragte er: »Wieso nicht ?« Sie
sah ihn erschrocken an, aber noch ehe sie antworten konnte, fuhr er fort: »Man
könnte die Möglichkeit doch zumindest kurz erörtern, oder haben Sie etwas
dagegen ?«
    »Nein, aber warum...«
    »Wären Sie mit dem Kauf von so einem
Wettschein einverstanden gewesen, wenn Sie es erfahren hätten ?«
    »Nein«, gab sie zu. »Ich hab mit ihm
geschimpft, wenn er Lose für Weihnachtslotterien oder sowas gekauft hat. Ich
hab immer gesagt, das ist rausgeschmissenes Geld. Aber er hat es trotzdem gemacht .«
    »Also hätte er nicht gewollt, daß Sie
von dem Wettschein erfahren — solange der sich nicht auszahlte, was ja jetzt
der Fall ist. Und er hätte ihn wohl an einen Ort gelegt, wo nicht anzunehmen
war, daß Sie ihn finden würden. Das ist doch logisch, oder ?«
    »Eigentlich schon .«
    »Noch eine Frage: Sie haben doch sicher
seine Anzüge hin und wieder ausgebürstet, das tun die meisten Frauen, gerade wo
er nur so wenige hatte ?«
    »Ja, den braunen, den er jeden Tag zur
Arbeit anzog.«
    »Den dunkelblauen nicht?«
    »Der war noch neu, er hat ihn nur
einmal angehabt, da war es noch nicht nötig .«
    »Wahrscheinlich wußte er das. Und
deshalb wußte er auch, daß der sicherste Platz, wo er einen Wettschein
verstecken konnte — wenn er nicht wollte, daß Sie beim täglichen Ausbürsten zufällig
darauf stoßen — in einer der Taschen des neuen blauen Anzugs war .«
    Sie wurde leichenblaß.
    Er sah sie ernst an. »Ich glaube, wir
haben den verflixten Kontrollabschnitt gefunden. Er ist, fürchte ich, noch
immer bei Ihrem verstorbenen Mann .«
    Sie sah ihn mit einer Mischung aus
aufkeimender Hoffnung und blankem Entsetzen an. Hoffnung, daß dieses
nervenaufreibende Geheimnis jetzt endlich gelüftet war. Entsetzen bei dem
Gedanken daran, was sich als Konsequenz aus dieser Schlußfolgerung ergab, bei
dem Gedanken an ihre praktische Umsetzung. »Und was soll ich jetzt machen ?« stieß sie angsterfüllt hervor.
    »Sie können nur eines tun. Stellen Sie
einen Antrag auf Exhumierung .«
    Sie schauderte. »Wie kann ich so etwas
ernsthaft in Erwägung ziehen? Und wenn wir uns geirrt haben?«
    »Ich bin ganz sicher, daß wir uns nicht
irren, sonst würde ich Ihnen das nicht vorschlagen .«
    Und als er sie ansah, wußte er, daß
auch sie jetzt sicher war. Ihre Bedenken schwanden langsam, aber unaufhaltsam
dahin. »Aber die Leute, die ihn hergerichtet haben, die hätten den Schein doch
sicher gefunden, bevor sie ihm den Anzug anzogen, und hätten ihn mir
zurückgegeben, wenn er in der Tasche gewesen wäre! ?«
    »Wenn es ein größerer Gegenstand
gewesen wäre, ein dicker Briefumschlag oder ein Notizbuch, dann schon. Aber ein
hauchdünner Zettel, Sie wissen doch selbst, wie winzig die sind, sowas kann man
leicht übersehen, zum Beispiel wenn er in einer Innentasche steckt.«
    Langsam gewöhnte sie sich an den
Gedanken, so abstoßend er ihr zunächst auch vorgekommen war. »Ich glaube auch,
daß es so gewesen sein muß, und ich möchte Ihnen für Ihre Hilfe danken. Ich
werde es mit meinem Mann besprechen, wenn er nach Hause kommt, und sehen, was
er dazu meint .«
    Westcott räusperte sich mißbilligend,
als er zur Haustür ging. »Vielleicht tun Sie besser so, als seien Sie von
allein draufgekommen. Lassen Sie mich lieber ganz aus dem Spiel. Es könnte ihn
ärgern, wenn sich ein

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