Das Fenster zum Hof
es an der Tür klingelte. Das war so kurz nach seinem Aufbruch, daß sie
sicher war, er sei es, habe vielleicht seinen Hausschlüssel vergessen oder
wolle ihr noch schnell von einer neuen Möglichkeit erzählen, auf die er eben
gekommen war. Jedesmal, wenn er in den letzten zwei Tagen das Haus verlassen
hatte, war er zwei- oder dreimal zurückgekommen, weil ihm etwas eingefallen war
— wo der Schein liegen könnte. Aber jedesmal war es blinder Alarm gewesen.
Doch als sie die Tür öffnete, sah sie,
daß sie sich geirrt hatte: Es war einer der drei Reporter von neulich. Diesmal
allerdings allein.
»Schon fündig geworden, Mrs. Archer?
Ich habe eben gesehen, wie Ihr Mann weggegangen ist, und dachte, ich frag mal
bei Ihnen nach. Immer, wenn ich angerufen habe, hat er einfach aufgelegt .«
»Nein, wir haben ihn noch nicht
gefunden. Und ich soll auch mit niemandem darüber reden .«
»Schon gut, aber vielleicht kann ich
Ihnen ja helfen? Diesmal bin ich nicht als Reporter hier, meine Zeitung hat die
Story schon längst gebracht. Die menschliche Seite daran interessiert mich. Ich
würde Ihnen wirklich gerne helfen .«
»Und wie?« Zweifel schwang in ihrer
Stimme. »Wir sind keinen Schritt weitergekommen, und ein Außenstehender soll
das schaffen ?«
»Drei Köpfe sind besser als zwei .«
Widerwillig trat sie zur Seite und ließ
ihn eintreten. »Aber Sie müssen gehen, bevor er wiederkommt. Es wird ihm nicht
recht sein, wenn er Sie hier antrifft. Ich würde aber wirklich gern mit
jemandem darüber reden; wir sind mit unserer Weisheit am Ende .«
Beim Hereinkommen nahm er den Hut ab.
»Vielen Dank, Mrs. Archer. Mein Name ist Westcott .«
Sie nahmen einander gegenüber an dem
mit Zetteln übersäten runden Tisch Platz. Er setzte sich auf den Stuhl, auf dem
Archer vorher gesessen hatte. Niedergeschlagen stützte sie sich mit dem
Unterarm auf den Tisch. »Wir haben wirklich alles versucht«, sagte sie mutlos.
»Was haben Sie vorzuschlagen ?«
»Er hat ihn jedenfalls nicht
weiterverkauft, Wettscheine sind nicht übertragbar. Ihr Name stand auf dem
Abschnitt, der nach Dublin ging, und somit steht der Gewinn auf jeden Fall
Ihnen zu. Aber es wäre natürlich auch möglich, daß er den Schein verloren hat .«
Entschieden schüttelte sie den Kopf.
»Daran hat mein Mann auch schon gedacht, aber das kann nicht sein. Nicht Harry,
der hat in seinem ganzen Leben nie was verloren. Und wenn es so gewesen wäre,
hätte er mir zumindest im nachhinein davon erzählt. Er war ein sparsamer Mann;
und selbst etwas zu verlieren, das nur ein paar Dollar wert ist, hätte ihn so
aufgeregt, daß er es niemals geschafft hätte, es für sich zu behalten .«
»Dann können wir also davon ausgehen,
daß er den Wettschein noch hatte, als er starb. Aber wo, das ist die
Frage. Denn wo er damals war, ist er höchstwahrscheinlich auch heute noch .«
Während er sprach, griff er nach den
verschiedenen Zetteln und las sich die aufgeführten Rubriken durch. »Was ist
mit Portemonnaies oder Brieftaschen? Die sind hier gar nicht aufgelistet .«
»So was hat er nie besessen, wollte sie
nie benutzen. Er hatte seine Sachen lieber lose in irgendeiner seiner Taschen.
Ich weiß noch, wie ich ihm einmal einen Geldbeutel gekauft habe, und er hat ihn
direkt nach dem Urlaub wieder umgetauscht .«
»Und Bücher? Die Leute benutzen doch
manchmal die seltsamsten Dinge als Lesezeichen, und die bleiben dann zwischen
den Seiten liegen und gehen verloren .«
»Das haben wir schon abgehakt. Harry
und ich haben kaum gelesen und nie was aus der Bücherei ausgeliehen. Die paar
Bücher, die es hier jemals gab, haben das Haus nicht wieder verlassen. Die
Bücher, die zu Harrys Lebzeiten hier waren, sind also auch heute noch da. Ich
hab alles durchsucht, hab sie eins nach dem anderen gepackt und ausgeschüttelt,
sie Seite für Seite durchgeblättert .«
Er griff nach einem weiteren Zettel.
»Und er hatte nur drei Anzüge ?«
»Er war nur schwer dazu zu bringen,
sich einen neuen zu kaufen. Auf Kleidung hat er keinen Wert gelegt .«
»Haben Sie sie nach seinem Tod
weggegeben ?«
»Nur den braunen. Der graue ist immer
noch oben auf dem Speicher. Er war schon so alt und abgetragen, daß ich mich
geschämt hätte, ihn dem Altkleiderhändler, der den anderen genommen hat, auch nur
zu zeigen. Harry hat jahrelang nichts anderes angezogen, zum Schluß wollte ich
nicht mehr, daß er damit noch unter Leute ging. Er hat ihn nur noch zu Hause
angehabt .«
»Und was ist mit dem, den
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