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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornell Woolrich
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blauen Stoff. Leer kamen sie
wieder zum Vorschein, schoben sich in die untere Tasche auf der gleichen Seite
und verschwanden wieder. Wieder kamen sie heraus, mit einem gefalteten Zettel,
der wie Kreppapier aussah und leise raschelte.
    »Ich hab ihn«, erklärte Westcott mit
tonloser Stimme.
    Die Männer, oder zumindest der eine,
der die Lampe hielt, beugten sich vor, um sich den Zettel anzusehen. Der
Lichtkegel schwenkte plötzlich wieder nach oben. Westcott kniff die Augen
zusammen. »Ich hab doch gesagt, nicht aufs Gesicht...« Sofort wurde die
Richtung korrigiert. Doch irgend etwas mußte ihm aufgefallen sein in dem kurzen
Augenblick, als das Licht dahin fiel, wo es nicht hinfallen sollte. »Nochmal
aufs Gesicht !« verlangte er plötzlich.
    Der Wettschein, bis zu diesem
Augenblick der Mittelpunkt des Interesses, fiel auf die Weste hinab und blieb
dort unbeachtet hegen. Westcott konzentrierte sich ganz auf den hellen
Lichtkegel, der jetzt auf dem Gesicht lag. Eine unnatürliche Stille beherrschte
die makabre Szene. Es war wie ein Stilleben, niemand rührte sich.
    Schließlich brach Westcott das
Schweigen. Er gab nur zwei Laute von sich: »Ah — hm«, und untermauerte diese
Äußerung mit einem Kopfschütteln. Fügte dann an: »Autopsie .« Das letztere sagte er, nachdem er sich wieder aufgerichtet und noch schnell den
Wettschein wieder aufgehoben hatte.
    Mrs. Archer stand noch immer, die Hand
fest um den geretteten Zettel geschlossen, neben ihm im Wärterhäuschen, als ein
paar Minuten später die Männer im Dunkeln draußen den Sarg vorbeitrugen. Die
Laterne, mit der sie den Weg beleuchteten, machte sie darauf aufmerksam.
    Sie packte ihn am Ärmel. »Was tragen
die da weg? Das ist doch nicht etwa er? Und das komische Auto, der kleine
Lieferwagen, der hier eben vorbeigefahren ist?«
    »Das ist ein Leichenwagen, Mrs. Archer .«
    »Aber wozu? Was ist denn los ?« Zum zweiten Mal an diesem Abend wurde der Wettschein
achtlos fallengelassen.
    »Gar nichts, Mrs. Archer. Am besten
gehen wir jetzt. Ich möchte mich noch etwas mit Ihnen unterhalten, ehe Sie nach
Hause gehen .«
    Kurz vor dem Taxi, das außerhalb des
Friedhofsgeländes auf sie gewartet hatte, hielt sie inne. »Noch einen
Augenblick. Ich habe Stephen versprochen, ihm eine Abendzeitung mitzubringen.
Da drüben auf der anderen Straßenseite ist ein Kiosk .«
    Westcott wartete beim Taxi, während sie
die Straße allein überquerte. Ihr war eingefallen, daß sie ja einmal
nachschauen könnte, ob er vielleicht schon etwas über den Verbleib des
verlorengegangenen Wettscheins geschrieben hatte. Wenn es noch nicht zu spät
war, wollte sie nach Möglichkeit versuchen, ihn davon abzubringen. »Geben Sie
mir bitte das Bulletin .«
    Der Verkäufer schüttelte den Kopf. »Tut
mir leid, kenn ich nicht. Eine Zeitung mit dem Namen gibt’s hier nicht .«
    »Sind Sie sicher ?« Sie war wie vom Donner gerührt. Schnell schaute sie über die Schulter zurück
auf die Gestalt, die beim Taxi auf sie wartete.
    »Da können Sie sich drauf verlassen.
Bei mir kriegen Sie alle Zeitungen aus der Stadt, aber ein Bulletin ist
mir noch nicht untergekommen !«
    Als sie wieder bei Westcott angelangt
war, erklärte sie ruhig: »Ich hab mir’s anders überlegt .« Sie warf einen kurzen Blick auf den Presseausweis, der an seinem Hut steckte.
Da war ganz deutlich Bulletin zu lesen, mit der Schreibmaschine getippt.
    Auf der Rückfahrt im Taxi sagte sie
nichts, schien in Gedanken versunken, kaute in einem fort auf der Unterlippe.
    »Ich habe den Auftrag, einen
Sonderbericht über Sie zu schreiben, Mrs. Archer«, begann Westcott, als sie in
der kleinen Cafeteria saßen, in die er sie geführt hatte. »So was interessiert
die Leute, wissen Sie. Deshalb möchte ich Ihnen ein paar Fragen stellen .«
    Sie sah ihn wortlos an. Immer noch biß
sie sich auf die Unterlippe.
    »Mead starb recht plötzlich, nicht
wahr? Wie ist das denn passiert ?«
    »Es ging ihm schon seit ein paar Tagen
nicht so gut... Magenverstimmung. Wir hatten gerade zu Abend gegessen, und ich
war beim Geschirrspülen. Er sagte, er fühle sich nicht wohl, und ich hab ihm
vorgeschlagen, er solle doch mal raus an die frische Luft gehen. Er ging zur
Hintertür raus und werkelte in dem kleinen Gemüsegarten rum, den er angelegt hatte .«
    »Im Dunkeln?«
    »Er hat eine Taschenlampe mitgenommen .«
    »Erzählen Sie weiter .« Während sie redete, machte er sich Notizen, in Kurzschrift — was Journalisten
normalerweise nicht tun.
    »Er

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