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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornell Woolrich
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wiederholte sie verdutzt. »Wollen Sie mich denn einfach gehen lassen, mich
nicht verhaften nach all dem, was ich Ihnen erzählt habe ?«
    »So gern ich Ihnen den Gefallen täte«,
erwiderte er trocken, »da gibt es noch ein paar Unklarheiten; nichts Wichtiges,
aber gerade genug, um eine saubere Verhaftung, die Sie als loyale Ehegattin
angestrebt haben, zu verhindern. Um nur einen Punkt herauszugreifen: Sie haben
kein einziges Fältchen im Gesicht, also wäre es übertriebene Sorgfalt von
Ihnen, wenn Sie wirklich, wie Sie behaupten, so ein Makeup verwenden würden.
    Und zweitens, er wurde nicht am
Hinterkopf getroffen, sondern ganz oben an der rechten Schläfe. Sowas vergißt
man doch nicht! Und er hatte keine Haare an der Schläfe, Mrs. Archer .«
    Plötzlich brach sie zusammen, ließ den
Kopf fallen, auf ihre Arme, die am Tisch lagen. »Oh, ich weiß, was Sie jetzt
denken werden! Stephen hat es nicht getan, das weiß ich genau! Sie werden doch
nicht etwa...«
    »Vorerst werde ich nichts tun. Aber nur
unter einer Bedingung: Sie müssen mir hoch und heilig versprechen, daß Sie ihm
nichts von unserem Gespräch erzählen. Auch nicht davon, daß die Leiche zum
Leichenbeschauer gebracht wurde, überhaupt nichts. Sonst lasse ich ihn wegen
Verdunkelungsgefahr verhaften. Und dann wird er einen schweren Stand haben,
selbst wenn er wirklich unschuldig ist .«
    Vor lauter Dankbarkeit war sie geradezu
unterwürfig: »Oh, ich verspreche es, ich schwöre es Ihnen! Ich werde keinen Ton
sagen! Aber ich bin ganz sicher, Sie werden herausfinden, daß er es nicht getan
hat! Er ist so liebenswürdig und rücksichtsvoll zu mir, so aufmerksam .«
    »Ich nehme an, Sie haben Ihrerseits
eine Versicherung zu seinen Gunsten abgeschlossen ?«
    »Ja, aber das hat nichts zu bedeuten.
Irgendwer muß ja der Bezugsberechtigte sein, und ich habe weder Kinder noch
nahe Verwandte. Sie liegen völlig falsch, wenn Sie glauben, daß er solche
Gedanken hegen könnte. Wenn ich nur mal niese, ist er gleich besorgt. Vor ein
paar Tagen hatte ich einen leichten Katarrh, und er hat mich gleich zum Arzt
geschleppt, weil er sich Sorgen gemacht hat. Er hat mir sogar eine von diesen
Höhensonnen gekauft, und seitdem muß ich mich jeden Tag bestrahlen lassen,
damit ich widerstandsfähiger werde. Es ist zwar lästig, daß das Ding da
rumsteht...«
    Während sie plapperte, bugsierte er sie
nach draußen und hielt nach einem Taxi für sie Ausschau. Was sie erzählte,
schien ihn nicht sonderlich zu interessieren. »Ach ja? Wieso denn?«
    »Naja, erstmal ist das Bad sowieso
ziemlich klein, und dann fällt die Lampe dauernd auf mich herunter. Er meint,
ich solle sie am besten benutzen, wenn ich in der Badewanne liege, dann habe
ich keine Kleider an, und die Strahlung hat die größte Wirkung .«
    Er suchte immer noch nach einem Taxi,
um sie loszuwerden. »Die Dinger sind doch ziemlich schwer, oder ?«
    »Nein, nur lang und unhandlich. Aber
Gott sei Dank war er jedesmal dabei und hat verhindert, daß sie auf mich fiel .«
    » Jedes Mal ?« fragte
er nur.
    »Ja!« Sie lachte gezwungen, als wolle
sie für Westcott ein entwaffnendes Bild ihres geliebten Gatten zeichnen, sein
Mißtrauen gegenüber einem so gutherzigen und großzügigen Mann entkräften.
»Morgens warte ich immer, bis er aus dem Haus ist, bevor ich mein Bad nehme.
Aber er vergißt fast immer etwas, und es fällt ihm erst im letzten Moment
wieder ein, wenn er schon am Bahnhof steht, und er kommt zurückgerannt, stürzt
ins Bad, und dann fällt sie runter .«
    »Was vergißt er denn zum Beispiel ?« Er hatte ein Taxi herangewinkt, ließ es jetzt aber
warten.
    »Ach, einmal ein frisches Taschentuch,
dann irgendwelche wichtigen Unterlagen, dann seinen Füller...«
    »Aber das hat er doch nicht im Bad ?«
    Wieder lachte sie. »Natürlich nicht.
Aber er findet die Sachen nie, also kommt er ins Bad gestürzt und fragt mich — und
dann kippt die Lampe um !«
    »Und das passiert praktisch jedesmal,
wenn Sie sie eingeschaltet haben ?«
    »So sicher wie das Amen in der Kirche.«
    Jetzt blickte er nach oben, über ihren
Kopf hinweg, so, wie sie es zuvor getan hatte. Bevor er sich von ihr
verabschiedete, sagte er noch: »Sie werden doch Ihr Versprechen halten und
Ihrem Mann nichts von diesem Gespräch erzählen ?«
    »Ganz bestimmt !« versicherte sie ihm.
    »Ach ja, noch was. Verschieben Sie
morgen früh Ihr Bad und die Bestrahlung um ein paar Minuten. Es kann sein, daß
ich Ihnen noch ein paar Fragen stellen muß, wenn

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