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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornell Woolrich
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stecken ?« Dann würden sie zurück zum Laden gehen und weiter vor der verschlossenen Tür
warten, ruhig, sicher, ungefährdet. Und während sie miteinander plauderten,
würde sie ab und zu ungeduldig mit dem Fuß scharren und die Straße hinauf- und
hinabschauen.
    Und dann würden auch sie zu den Leuten
gehören, die um Punkt drei plötzlich stehenblieben, einander ansahen und
fragten: »Was war denn das ?« Und Fran würde vielleicht
noch anfügen: »Das klang, als käme es aus unserer Richtung .« Das wäre alles, was sie zu seinem Dahinscheiden von sich geben würde.
    Ticktack, ticktack, ticktack. Neun
Minuten vor drei. Oh, welch wunderschöne Zahl, die Neun. Wenn es doch für immer
neun vor drei bliebe, nicht acht oder sieben, neun in alle Ewigkeit. Wenn doch
die Zeit jetzt stehenblieb, damit er weiteratmen konnte, auch wenn die ganze
Welt um ihn herum zum Stillstand käme und dahinfaulte. Aber nein, es war schon
acht vor. Der Zeiger hatte die weiße Kluft zwischen den beiden schwarzen
Strichen bereits überbrückt. Oh, welch kostbare Zahl, die Acht, so rund, so
symmetrisch. Wäre es doch für immer acht vor...
    Irgendwo draußen im Freien erklang die
scharfe, tadelnde Stimme einer Frau: »Paß doch auf, Bobby, du schlägst noch ein
Fenster ein !« Sie war ein gutes Stück weg, aber ihr
durchdringender, gebieterischer Tonfall drang deutlich bis zu ihm herein.
    Stapp sah den verschwommenen Umriß
eines Balls, der gegen die Scheibe des Oberlichts schlug. Er hatte den Blick
nach oben gerichtet, weil die Stimme der Frau von dort hereingekommen war. Es
war wohl nur ein Tennisball gewesen, der aber, als schwarzer Umriß draußen vor
der schmutzigen Scheibe, wie eine kleine Kanonenkugel wirkte; einen Augenblick
lang schien er da zu hängen, wie am Glas festgeklebt, dann fiel er zu Boden.
Eine gewöhnliche Fensterscheibe wäre vielleicht zerbrochen, das eingewalzte
Drahtgeflecht aber verhinderte das.
    Jetzt kam das Kind ganz nahe an das
Oberlicht heran, um sich seinen Ball wiederzuholen. Es war noch so klein, daß
Stapp den ganzen Körper durch das schlitzartige Fenster sehen konnte, nur der
Kopf war abgeschnitten. Als es sich bückte, um den Ball aufzuheben, kam auch
der Kopf in sein Blickfeld, mit goldblonden Ringellöckchen bedeckt. Das Kind,
das auf den Ball hinabsah, wandte ihm sein Profil zu. Es war das erste
menschliche Gesicht, das Stapp sah, seit er gefesselt hier unten lag. Es sah
aus wie das eines Engels. Aber eines unaufmerksamen, gleichgültigen Engels.
    Dann sah es, während es noch immer,
nach vorne gebeugt, am Boden kauerte, irgendetwas anderes, vielleicht einen
interessanten Stein. Es hob ihn auf und musterte ihn genau, um ihn schließlich,
noch immer in der gleichen kauernden Position, achtlos über die Schulter zu
werfen.
    Jetzt klang die Stimme der Frau näher.
Sie mußte auf dem Gehsteig direkt vor dem Haus entlanggehen. »Bobby, wirf nicht
so mit Sachen um dich, du könntest jemanden treffen !«
    Wenn es nur den Kopf hierher drehen
würde, dann könnte es direkt hineinschauen, würde ihn sehen. So schmutzig war
die Scheibe nicht. Er begann, den Kopf heftig hin und her zu werfen, hoffte,
die hektische Bewegung würde seine Aufmerksamkeit erregen, ihm ins Auge
springen. Und entweder passierte genau das, oder es war einfach natürliche
Neugier, die das Kind veranlaßte, hereinzusehen. Jedenfalls drehte es den Kopf
plötzlich herum und starrte direkt durch das Fenster
nach drinnen, ohne zunächst etwas zu erkennen, das sah er an seinem
ausdruckslosen Gesicht.
    Immer schneller warf er den Kopf hin
und her. Das Kind hob eine pummelige Hand und wischte mit dem Handballen auf
der Scheibe einen kleinen Fleck frei, durch den es hineinsehen konnte. Jetzt
würde es ihn sehen, jetzt ganz bestimmt! Es sah ihn immer noch nicht. Hier
drinnen mußte es viel dunkler sein als draußen, und die Sonne stand genau im
Rücken des Kindes.
    Die Stimme der Frau erklang scharf und
vorwurfsvoll: »Bobby, was machst du denn da? !«
    Und dann plötzlich sah es ihn. Seine
Pupillen bewegten sich ein wenig in seine Richtung und verharrten direkt auf
ihm. Jetzt wurde die Ausdruckslosigkeit in seinem Gesicht von Interesse
abgelöst. Für Kinderaugen ist einerseits nichts merkwürdig — nicht einmal ein
gefesselter Mann in einem Kellerraum — und andererseits alles. Alles versetzt
sie in Erstaunen, ruft einen Kommentar hervor, verlangt nach einer Erklärung.
Würde es nichts zu seiner Mutter sagen? Konnte es noch nicht sprechen?

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