Das ferne Leuchten - das Marsprojekt ; 1
Verfassern ist kein einziger Lungenspezialist, hat kein einziger in der medizinischen Forschung gearbeitet oder sich sonst wie qualifiziert, derartige Urteile abzugeben.« Der ganze restliche Stapel flatterte davon. »Und nun zu den tomografischen Daten. Sie haben natürlich vollkommen Recht, dass es sich um eine Folge der verfrühten Geburt handelt. In der Tat ein faszinierender Fall, und ich bedaure nur, dass ich nicht zum Mars reisen kann, um mir Ihre Patientin persönlich anzusehen. Denn auf die Erde darf sie auf keinen Fall kommen, jedenfalls nicht länger als eine Woche, höchstens zehn Tage. Spätestens dann würden die ersten Äste des Bronchialbaums in Mitleidenschaft gezogen werden, voraussichtlich beginnend in den oberen Lungenteilen. Übrigens liegen Sie nicht ganz richtig mit Ihrer Vermutung bezüglich der Surfactant-Faktoren – man kann sie auf den Bildern erkennen, allerdings erst nach einer Computeraufbereitung, die Ihnen nicht zur Verfügung stand. Auf jeden Fall sind die Veränderungen der Alveolen kritisch, wie gesagt, und mit den uns heute zur Verfügung stehenden Mitteln nicht reparabel.« Der Nobelpreisträger machte eine kurze Pause, wohl um die folgenden Worte besonders wirken zu lassen, und fuhr dann mit der ganzen Autorität seiner Person fort: »Es ist meine begründete fachliche Meinung, dass ein dauernder Aufenthalt des Mädchens auf der Erde ihren sicheren Tod innerhalb von höchstens zwei Monaten bedeuten würde.«
Dr. DeJones schaltete ab und sah sichtlich zufrieden in die Runde. »Ich darf wohl davon ausgehen, dass die medizinische Diskussion damit beendet ist«, sagte er.
Pigrato saß zurückgelehnt da. Sein Gesicht war nicht mehr bleich, es war im Gegenteil so rot angelaufen, dass man sich ernsthafte Sorgen um seinen Blutdruck machen musste. Aber, was immer er sagen oder hinausbrüllen wollte, er behielt es für sich. »Ich tue nur meinen Job«, quetschte er schließlich zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor. »Man hat mir diese Gutachten gegeben. Sie können nicht erwarten, dass ich beurteilen kann, ob sie etwas taugen.«
»Das erwarte ich auch nicht«, sagte der Arzt. »Ich erwarte lediglich, dass Sie der Regierungskommission die Fakten mitteilen und um eine Korrektur des Beschlusses bitten.«
Die anderen Erdlinge schwiegen betreten, saßen beinahe geduckt da. Dipple zerkaute das Ende seines Schreibstifts, Farukh rieb sich unablässig den Hals, und Cory MacGee zog ein Gesicht, als erwarte sie eine Tracht Prügel im Anschluss an die Besprechung.
»Gut«, nickte Pigrato schließlich, und man merkte, wie schwer es ihm fiel, klein beigeben zu müssen. »Das werde ich tun.«
»Wunderbar«, nickte Dr. DeJones.
Sie standen alle auf, Dr. DeJones, Mrs Faggan, Carl, Elinn, Ariana und Ronny, und wollten gehen, waren gerade in der Tür, als Pigrato ihnen nachrief: »Ach, da ist noch etwas, Dr. DeJones…«
Sie blieben stehen. »Ja?«, sagte der Arzt.
»Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie die Marsstation der Asiaten eigenmächtig mit Medikamenten versorgen.«
»Wie bitte?« Dr. DeJones nickte verblüfft. »Ja, ich habe in einem medizinischen Notfall aushelfen können. Das ist richtig.«
»Die medizinischen Notfälle der asiatischen Marsstation, Dr. DeJones, sind Angelegenheit der Asiatischen Allianz.«
»Es ging nur um ein paar Ampullen Insulin. Einer ihrer Leute ist an Diabetes erkrankt, und wir haben einen Bio-Assembler, der das Insulin problemlos herstellen kann – es kostet uns so gut wie nichts…«
»Das weiß ich auch, aber das ist ausnahmsweise nicht das Problem. Es ist eine grundsätzliche Angelegenheit. Die Allianz widersetzt sich der Politik der Erdregierung, wie es ihr in den Sinn kommt – also kann sie nicht die Unterstützung der Regierung beanspruchen. Und um eine solche handelt es sich ja wohl.«
»Es geht nur um einen Mann, der gesund bleiben will, bis er abgeholt wird. Und er ist nicht einmal Asiate.«
Pigrato bekam Augen wie Feuerräder. »Darum geht es doch überhaupt nicht! Tun Sie jetzt bloß nicht so, als sei ich ein Rassist. Es ist mir klar, dass dadurch eine Notlage entsteht. Aber vielleicht bringt diese Notlage die Allianz zum Einlenken.«
»Erpressung also.«
»Politik.«
Dr. DeJones schüttelte den Kopf. »Da mache ich nicht mit. Das lässt sich mit ärztlicher Ethik nicht vereinbaren.«
»Ethik!« Pigrato spuckte das Wort fast aus. »Dr. DeJones, Sie werden den Asiaten keine Medikamente mehr zur Verfügung stellen und ihnen auch sonst
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