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Das ferne Leuchten - das Marsprojekt ; 1

Das ferne Leuchten - das Marsprojekt ; 1

Titel: Das ferne Leuchten - das Marsprojekt ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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große Digitaluhr im Blickfeld, die sie an der Wand aufgehängt hatten. Das war es also, das letzte Silvester auf dem Mars, das Ende des Jahres 36. Die, die noch da waren, sahen es als ihre Pflicht an, auszuharren, die Gläser in der Hand.
    Je näher Mitternacht rückte, desto leiser wurde es, und schließlich schwiegen sie alle und beobachteten das Verstreichen der Zeit.
    23:57
    23:58
    23:59
    ––:––
    Die Uhrzeit 00:00 gab es nicht auf marsianischen Uhren. Eine Umdrehung des Planeten dauerte exakt 24 Stunden, 39 Minuten und 35,24 Sekunden. Es hatte mehrere Möglichkeiten gegeben, mit diesem um ein Weniges verlängerten Tag umzugehen. Die radikalen Kolonisten hätten am liebsten nicht nur einen eigenen Jahreskalender eingeführt, sondern auch eine eigene marsianische Uhr. Während ein eigener Jahreskalender auf einem Planeten, auf dem eine Atmosphäre und somit Jahreszeiten existierten, Sinn machte – zumindest in den Augen der Siedler –, kam man nach eingehenden Überlegungen zu dem Schluss, dass die Einführung einer marsianischen Stunde, die gegenüber der Erdstunde um eine Minute und 39 Sekunden verlängert gewesen wäre, der Auslöser für endlose Komplikationen gewesen wäre. Deswegen hatte man sich darauf geeinigt, die Dauer der Erdstunden beizubehalten und die zusätzlichen 39,6 Minuten als so genannte Lücke um Mitternacht einzufügen. So kam es, dass Neuankömmlinge von der Erde sich immer wunderten, dass sie, wenn sie abends zur gewohnten Zeit ins Bett gingen und morgens zur gewohnten Zeit aufstanden, sich viel frischer und ausgeruhter fühlten als sonst. Irgendwann merkten sie dann, dass das nichts mit der niedrigeren Schwerkraft zu tun hatte, sondern damit, dass sie jede Nacht fast vierzig Minuten mehr Schlaf bekamen als auf der Erde.
    Die Siedler betrachteten die Uhr schweigend. Ab und zu seufzte jemand. Dann, endlich, sprang die Anzeige um.
    00:01
    Man prostete sich verhalten zu, leises Gläserklingen erfüllte die Kuppel über der Plaza . »Gutes neues Jahr.« Es klang schal, diese Worte auszusprechen. Plötzlich war die Trauer unerträglich, um jeden Ziegel, den sie mit eigenen Händen geformt, gebrannt und an seinem Platz vermauert hatten, um jede Tür, die sie aus selbst gemachtem Cellulose-Composit gegossen und in die Zargen eingepasst hatten, um jeden selbst geschmiedeten Flansch und jede selbst gelötete Röhre, um die mühsam errichteten Fischbecken, die Treibhäuser, die Pilzzuchten, um jeden einzelnen Wassertropfen, den man aus den Tiefen des Bodens emporgeholt hatte. Manch einer fragte sich, ob er, wenn die Shuttles draußen vor dem Ringwall landeten, die Kraft haben würde, einzusteigen.
    So erhob sich bald der Erste, und die anderen folgten kurz darauf. Man kümmerte sich noch darum, diejenigen ins Bett zu bringen, die über ihrem Wodka-Kaffba eingeschlafen waren. Als die roten Digitalziffern 01:00 zeigten, lag die Plaza längst still, verlassen und dunkel.
    Als die roten Digitalziffern der Uhr auf ihrem Nachttisch 01:00 zeigten, lag Ariana immer noch wach und wälzte sich ruhelos umher. Was hatte Carl vor? Und wie kam er dazu, ihnen nichts zu sagen? Damit sich keiner von ihnen verplapperte, klar, aber ihr hätte er sich wenigstens anvertrauen können. Es regte sie auf, dass er sie behandelte wie ein Baby.
    Sie würde einfach nicht hingehen. Sollte er doch machen, was er wollte, nachts um vier Uhr. Ihr doch egal.
    Sie starrte an die Decke, ohne etwas zu sehen, denn bis auf den roten Schimmer der Uhrzeit war es stockdunkel. Inzwischen war es auch in der Wohnung wieder ruhig geworden. Vor einer halben Stunde war ihr Vater nach Hause gekommen, und es hatte geklungen, als sei er nicht mehr so richtig nüchtern gewesen.
    Sie hatte keine Lust gehabt, bis Mitternacht herumzusitzen und Trübsal zu blasen, hatte sich bloß mit Pizza, Kartoffelchips und überbackenen Äpfeln voll gestopft und war dann abgezogen. Früh ins Bett, damit sie um vier Uhr nicht womöglich den Wecker überhörte.
    Zuerst hatte es in ihrem Bauch rumort, von all dem Zeug, das sie durcheinander gegessen hatte, und sie hatte nicht einschlafen können. Später hatte sie gemerkt, dass es in ihrem Bauch auch vor lauter Wut auf Carl, den Schweigsamen, rumorte, wonach sie erst recht nicht mehr einschlafen konnte. Und so lag sie nun da und glotzte in die Dunkelheit.
    Sie würde nicht hingehen. Genau. Sie würde den Wecker ausschalten und bis in die Puppen schlafen.
    Sie wälzte sich zur Wand, knüllte das Kissen unter sich,

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