Das ferne Leuchten - das Marsprojekt ; 1
andere. Zur Erde gehen wollte ich schon immer, um zu studieren, ein naturwissenschaftliches Gebiet, und um später bei der Erforschung des Sonnensystems mitzuarbeiten. Das ist immer noch mein Traum. Aber natürlich fühle ich mich auf dem Mars zu Hause, und mir wäre es lieber, immer wieder hierher zurückkommen zu können. Am meisten Sorgen mache ich mir aber um meine Schwester. Man hat festgestellt, dass ihre Lunge unter der Schwerkraft der Erde nachgeben würde, sodass sie ersticken müsste. Eine ganz neue Krankheit, die es vorher noch nie gegeben hat. Man will sie in der McAuliffe -Raumstation unterbringen, in einem Bereich mit niedrigerer Kunstschwerkraft, und dort würde sie dann mehr oder weniger ihr Leben lang eingesperrt sein. Das ist ungerecht. Kein Mitglied der Kommission würde das seinen eigenen Kindern antun. Überhaupt finde ich die Idee, die Marsbesiedlung zu stoppen, Unsinn. Gut, es kostet Geld, das man anderweitig ausgeben will. Aber die ganze Erde ist erforscht. Wenn wir den Mars nicht besiedeln, wenn wir uns nicht mit den anderen Planeten des Sonnensystems beschäftigen – was wollen wir die nächsten tausend Jahre lang dann eigentlich tun? «
Ein Mädchen, dreizehn Jahre alt, aber klein für ihr Alter. Sie hat ungebändigtes, rostrotes Haar, dunkle Augen und ein helles, schmales Gesicht. Sie wirkt traurig, aber sie sitzt aufrecht und stolz da.
Eingeblendet der Name: Elinn Faggan.
»Ich bin Elinn. Carl hat schon gesagt, warum ich nicht zur Erde kann. Ich will auch nicht zur Erde. Nicht, weil die Erde nicht schön wäre, aber ich gehöre einfach hierher, auf den Mars. Der Mars ist so schön, dass ich es manchmal gar nicht fassen kann. Ich sitze oft draußen auf den Hügeln um die Station oder am Rand des Grabens und schaue ihn mir an. Dann erzählen mir die alten Steine ihre Geschichte, und der Wind über der Wüste singt ein Lied. Manchmal habe ich das Gefühl, der ganze Planet wärmt sich an mir wie ein Tier, das einsam ist und verletzt. Der Mars hat uns aufgenommen und einen Platz für unsere Siedlung gegeben, und ab und zu enthüllt er uns ein Geheimnis. Aber viele Geheimnisse haben wir noch gar nicht entdeckt. Von den Marsianern, die hier einmal gelebt haben, wissen wir noch überhaupt nichts. Wir besitzen noch nicht einmal eine vollständige Karte seiner Oberfläche, das haben wir erst neulich festgestellt. Jetzt von hier fortzugehen, das kommt mir vor, als hätte man einen Tempel in der Wüste ausgegraben und den Gang zur Schatzkammer, aber vor der Tür zum Schatz macht man kehrt und geht wieder. Mein Dad ist gestorben, weil er den Mars erforschen wollte. Man weiß nicht, woran oder wie, und man hat auch nie versucht, es herauszufinden. Mein Dad wäre traurig, wenn er wüsste, dass wir von hier fortgehen sollen.«
Carl setzte den Deckel zurück auf die Kameralinse und schob das Gerät in die Tasche. »Gut«, sagte er. »Nächster Teil des Plans ist, dass wir uns heute Nacht um vier wieder hier treffen.«
»Um vier?«, japste Ronny. »Bist du völlig wahnsinnig?«
»Was für ein Plan?«, wollte Ariana wissen. »Du hast kein Wort gesagt, dass du einen Plan hast.«
»Natürlich nicht. Ihr hättet womöglich zuversichtlich in die Kamera gegrinst.«
Ihre Augen funkelten. »Ist Mister Faggan wieder als einsamer Reiter unterwegs? Als Rächer der Enterbten? Carl der Schweiger?«
»Was für ein Plan?«, fragte nun auch Ronny dazwischen.
»Um vier Uhr früh«, sagte Carl nur. »Hier.«
Die Pizzableche auf dem Büffet an der Plaza waren bis auf wenige eingetrocknete Stücke leer gegessen, die Kuchenschaufeln lagen zwischen den Krümeln. Manche der Töpfe waren bis auf einen Bodensatz geleert, andere noch fast voll, in beiden Fällen waren die Warmhalteplatten längst abgeschaltet worden. Schmutziges Geschirr stapelte sich in den Plastikboxen, die zum Einweichen bereits mit warmem Wasser und Spülmittel gefüllt waren, und auch die Träger für leere Flaschen quollen bereits über. Ein paar Gläser waren kaputtgegangen und provisorisch unter einen Tisch gekehrt worden, eines der Öllichter hatte einen Sprung bekommen und die ganze Tischdecke in Mitleidenschaft gezogen.
Etliche hatten die trostlose Stimmung nicht ausgehalten und sich verabschiedet, andere waren auf Kaffba umgestiegen, den sie mit dem selber gebrannten Wodka versetzten, den Jewgenij ausgab. Die Gespräche waren ruhiger geworden, man hockte in kleinen Gruppen zusammen und redete leise, beinahe andächtig miteinander, immer die
Weitere Kostenlose Bücher