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Das Fest Der Fliegen

Das Fest Der Fliegen

Titel: Das Fest Der Fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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Schrift unter den Menschen verbreitet ist!« »Als käme es auf die Menge an!« Domingo war aufgesprungen, vom Eifer angetrieben, sich als besonders streng im Glauben auszuweisen. »Allein die Sätze, die in der Anklage als Zitate aufgeführt werden, sind so gotteslästerlich, so ganz vom Teufel eingegeben, dass man nicht daran zweifeln kann: Diese Frau ist eine Dienerin Satans, vielleicht eine seiner Geliebten, wer sagt uns, dass in ihr nicht eine der Hexen Luzifers wiedergekehrt ist! Brüder! Wenn wir sie nicht töten, wird diese Schlange immer mehr Menschen mit ihrem Gift infizieren, und wenn die Heilige Schrift in der Lage ist, den Menschen den Glauben zu bringen, so ist dieses Buch in der Lage, ihre Seelen in die Arme der Hölle zu treiben!« Den Applaus der übrigen, sogar Philippe de la Chambre klatschte, nutzte Salviati sofort: »Also sind wir bereit, ein Urteil zu fällen, ja oder nein? Ist noch Bedarf an weiteren gotteslästerlichen Stellen aus diesem Machwerk? Zweifelt noch einer, dass die Autorin zu den Luziferianern gehört?« Petrus Venerandus äußerte sich nicht. Er hob seine Hände. »Seid ihr bereit, euch zu entscheiden?« »Wir sind bereit«, antworteten die Legionäre. »Seid ihr bereit, dem Urteil, wie auch immer es lauten wird, eure Zustimmung und eure Kraft zu seiner Durchsetzung zu geben, selbst wenn es sein muss, die Vollstreckung durchzuführen, und gegenüber allen Menschen außerhalb unserer Gemeinschaft davon zu schweigen, was auch immer euch droht, wer auch immer euch womit auch immer verlockt? Seid ihr bereit?« »Wir sind bereit.« »Was forderst du, Bruder Giovanni?« »Ich fordere, die Seele von Rike Weißbinder in die Hand Mariae zu geben, gereinigt durch die Flammen des Scheiterhaufens, möge Gott ihr gnädig sein – wir dürfen es nicht.« Philippe de la Chambre erhob sich. »Ich habe wahrhaftig geprüft, was für Rike Weißbinder sprechen könnte. Aber alles spricht gegen sie. Gott sei ihrer Seele gnädig – ich kann es nicht sein.« »Wir entscheiden«, beschloss Petrus Venerandus den Prozess, »dass die Lästerin Mariae dem inneren Feuer übergeben wird. Wer stimmt der Entscheidung zu?« Einer nach dem anderen, außer Gian Pietro Carafa, hob die Hand. Alle stimmten für die Verbrennung. »So ist es beschlossen. Maledicat illam sancta Dei genetrix et perpetua virgo Maria!«, sagte der Großabt. Jeder erteilte nun dem anderen die Absolution. Als sie sich wechselseitig von ihren Sünden freigesprochen hatten, rief Domenico de Cupis erleichtert und voller Freude: »Lasst uns beten: Ruhmreicher Prinz, heiliger Erzengel Michael, erhebe dich, oh Unbesiegbarer, bringe dem Volk Gottes Hilfe gegen die satanischen Geister und gib ihm den Sieg! Bringe unsere Gebete im Angesicht des Allerhöchsten dar, damit der Drache, die Urschlange, erschlagen und wieder in der Hölle gefangen gehalten werde. Amen« Nach dem »Amen« der Übrigen fügte Domingo voller Inbrunst noch ein Mariengebet hinzu, das seine Brüder, die den Prozess schon beendet glaubten, geduldig anhörten: »O Himmelskönigin, o meine Gebieterin! O meine Mutter! Dir bringe ich mich ganz dar. Um dir meine Hingabe zu bezeigen, weihe ich dir heute meine Augen, meine Ohren, meinen Mund, mein Herz, mich selber ganz und gar. Weil ich also dir gehöre, o gute Mutter, bewahre mich, beschütze mich, Jungfrau Maria! Amen.«
    »Glauben Sie mir, Frau Matt, es ist wirklich äußerst dringend, ich muss ihn sprechen!« Martina nahm ein paar Rahmenleisten von dem Glastisch, der für Besucher der Galerie neben dem Eingangsbereich stand, bot Leon Schnaubert einen Stuhl an, und der Priester setzte sich. Er war mit zweiunddreißig Jahren im Dekanat Zungen an der Nelda zum Pfarrer der Hedwigsgemeinde berufen worden und fühlte sich, auch seiner mangelnden seelsorgerlichen Erfahrung wegen, noch nicht heimisch in der Stadt. Dass hier wie in vielen Städten der geschichtliche Boden des Bürgertums nicht so ehrenhaft und moralisch gefestigt war, wie es den Anschein hatte, ahnte er – doch vom wahren Ausmaß der Schuld in einigen Zungener Familien wusste er nichts. Es würde dauern, bis er sich aus den Beichtreden der Gläubigen ein Bild machen konnte, das der Wahrheit entsprach. Umso mehr bemühte er sich, es sich mit niemandem zu verderben und unter den Augen des Bischofs Punkte zu sammeln für seine erträumte Karriere in Richtung Rom. Er war sich nicht sicher, ob er mit Martina besprechen konnte, weshalb er gekommen war. In ihrem feuerroten,

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