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Das Fest Der Fliegen

Das Fest Der Fliegen

Titel: Das Fest Der Fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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sagen, es gibt keine Geheimnisse zwischen Alexander und mir.« Der Pfarrer stöhnte leise, hustete und deutete auf die Zigarette. »Verzeihen Sie, ich habe eine Rauchallergie.« Martina öffnete die Galerietür und warf die Zigarette auf die Straße. »Hoffentlich nicht gegen Weihrauch!« »Doch, leider auch. Aber jedes Leiden ist ein Kuss des Herrn.« Sie starrte ihn an. Zu dieser Diagnose fiel ihr nichts ein. Dem Mann kam sie mit ihrer Ironie nicht bei. Sie ahnte, dass er wirklich ein Problem hatte, bei dem Swoboda helfen sollte. Doch sie war fest entschlossen, jede Ablenkung von ihm fernzuhalten. Schnaubert entschied sich plötzlich, griff in die Innentasche seines schwarzen Jacketts und zog einen gefalteten Zettel hervor.
    »Hier ist es. Herr Swoboda ist nicht verreist, nicht wahr? Sie möchten ihm nur Ruhe verschaffen, habe ich recht? Aus Liebe. Ja? Das verstehe ich. Aber ich bin sicher, dass er auch mich versteht. Bitte geben Sie ihm dieses Blatt. Es ist ein Geständnis. Das Geständnis eines Mörders und Selbstmörders. Er muss es lesen!« Martina setzte sich ihm gegenüber. Er legte ihr den Zettel hin, sie schob die Zigarettenpackung beiseite, griff nach dem Blatt und entfaltete es: DIN A4 groß, von Hand beschrieben in einer ausführlichen, fast kindlich bemühten Schrift. Der Pfarrer beobachtete die Lesende, er versuchte, in ihrem Gesicht zu erkennen, ob sie irgendeinen Zusammenhang ahnte. Sie zog die Augenbrauen zusammen, fand sich nicht zurecht, fing wieder oben an, ließ das Blatt sinken und blickte ihm stumm ins Gesicht. Dann nahm sie sich das entsetzliche Geständnis noch einmal vor. Jetzt begriff sie, dass der Mann, der den Zettel geschrieben hatte, derselbe war, den sie in der Mahr hatte treiben sehen, beim Fischerwirt , nach Klaras Begräbnis und dem letzten Auftritt Otto Sinzingers. Schnaubert sah, wie sie langsam die linke Hand vor ihren Mund hob und überlegte. Sie legte das Papier auf den Tisch und schob es dem Pfarrer zu. »Damit müssen Sie zur Polizei gehen, Herr Pfarrer, zu Jürgen Klantzammer oder zu Kriminalhauptkommissar Törring. Alexander hat mit diesen Dingen nichts mehr zu tun. Und ich bitte Sie herzlich: Lassen Sie ihn damit in Frieden. Es geht ihm nicht gut. Ich hoffe, dass er aus seiner Krise herausfindet. Aber wenn Sie ihn damit konfrontieren …«
    Sie stand auf. »Lassen Sie uns damit in Ruhe. Bitte!« Der Pfarrer blieb sitzen und starrte auf den Zettel. Warum verstand diese Frau nicht, worum es ihm ging? Er sandte ein stummes Stoßgebet zur heiligen Hedwig und entschied sich, Martina, die zwischen ihm und Swoboda stand, zu erklären, in welchem Konflikt er sich befand. »Frau Matt, ich kann dieses Geständnis nicht der Polizei übergeben. Bitte verstehen Sie mich. Dieser Ranuccio Farnese oder Ferdinand Munkert, wie er wohl mit richtigem Namen hieß, hat das in äußerster Seelennot niedergeschrieben. Stellen Sie sich den jungen Mann vor! Er kniet an unserem Altar, er sieht Maria, die den bösen Feind niedergerungen, ihm die Keule entrissen und ihren Fuß auf ihn gesetzt hat – und dennoch kann er nicht hoffen, erlöst zu werden von seinen Albträumen, in denen dieser besiegte Satan ihn quält. Er weiß, dass er sich nur durch den eigenen Tod erlösen kann von dieser Qual, dafür aber noch viel größere Qualen jenseits des Todes auf sich nehmen muss. Er fleht Maria um Gnade an. Er hat ihr gedient. Er hat, wie er glaubt, für sie gemordet. Und er schreibt auf, was er getan hat und was er tun wird. Er übergibt den Zettel dem geweihten Altar. Was, liebe Frau Matt, ist das anderes als eine Beichte? Sie sind doch katholisch.« Martina schwieg. »Ob dieser Ferdinand Munkert nun im Beichtstuhl alles, was ihn belastete, meinem Ohr anvertraut hat oder aufschrieb und dem Altar unserer heiligen Kirche übergab – ich kann den Unterschied nicht erkennen. Er hat gebeichtet. Er hat gerungen. Dieses Schriftstück unterliegt vielleicht dem Geheimnis der Beichte, Frau Matt. Was soll ich tun? Mein Gelübde brechen? Darf ich ein Verbrechen, das hier gestanden wird, verschweigen? Wenn der Täter selbst vor weiteren Verbrechen warnt? Sagen Sie mir, was ich tun soll. Ich habe mein Gelübde ja schon gebrochen, aber ich weiß, dass Sie und Herr Swoboda schweigen können! Wenn Sie es ignorieren wollen, nun gut. Ich kann es nicht ändern. Behüten Sie also Herrn Swoboda vor Beunruhigung! Schirmen Sie ihn ab! Verschaffen Sie ihm Ruhe! Aber ich bin beunruhigt! Ich kann nicht zur Polizei gehen. Ich kann

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