Das Fest der Köpfe
nickte ihr zu. »Es ist schon okay, Angela. Sie brauchen keine Angst mehr zu haben.«
Ihre Hand sank hinab. Als ich meine Waffen wegsteckte, da flüsterte sie und nickte dabei wie zur Selbstbestätigung. »Die Toten kommen zurück, um sich an den Lebenden zu wärmen. Samhain, keltisches Halloween, ein Fest des Grauens, es ist zu einer fürchterlichen Wahrheit geworden, mein Gott.«
Ich konnte ihr keinen Trost zusprechen. Sie mußte die Tatsachen schon selbst verdauen.
»Er wird uns keinen Ärger mehr machen, er wird auch andere Menschen in Ruhe lassen.«
Sie nickte. »Ja, ja, ich weiß.«
»Kannten Sie ihn?«
Schwester Angela strich über ihre blasse Haut. »Er hieß Orson Kyle und war eigentlich sehr beliebt.«
»Wann starb er?«
»Vor einigen Tagen. Man hatte ihn schon beerdigt. Er muß sein Grab verlassen haben.«
»Nur er, Schwester?«
Ich stand, sie saß. Deshalb mußte sie den Kopf heben, um mich anschauen zu können. »Wie meinen Sie das, Mr. Sinclair? Denken Sie daran, daß noch weitere Tote aus den Gräbern gekommen sind und sich in Kimberly aufhalten?«
Sie bekam von mir keine direkte Antwort. »In der alten Prophezeiung wird von den Toten gesprochen, im Plural also. Es könnte durchaus sein, daß noch andere ihre Gräber verlassen haben. Damit sollten wir rechnen.«
Angela hatte die Hände in den Schoß gelegt. Sie sah aus wie ein kleines Schulmädchen. »Aber wer könnte noch…«
»Müßten Sie das nicht wissen?«
»Warum denn?«
»Sie wohnen hier.«
»Das stimmt allerdings. Darauf war ich immer stolz. Ich habe Irland und Kimberly geliebt, aber jetzt…«
»Wer ist in den letzten Tagen noch begraben worden? Außer Orson Kyle?«
Angela holte tief Atem. »Das ist schwer zu sagen. So genau bin ich nicht informiert, aber ich weiß von einem.«
»Auch ein Mann?«
»Ja, er heißt Nolan Quint. Er lag plötzlich tot neben seiner Frau im Bett. Das muß ein furchtbarer Alptraum für sie gewesen sein. Ich wäre durchgedreht.«
»Sie wohnten auch in Kimberly?«
»Ja.«
»Gut, lassen wir das vorerst.« Ich setzte mich zu ihr auf das Bett.
»Welcher Teufel hat Sie geritten, mir zu helfen, Angela?«
»Teufel ist gut«, flüsterte sie.
»Sie müssen doch einen Grund gehabt haben.«
»Ja, schon. Ich - ich merkte, daß hier etwas Schreckliches geschah. Es war nicht nur ungesetzlich, hier sollte auch das Grauen hochsteigen. Ich hörte es, als ich ein Gespräch zwischen Stepanic und den beiden Pflegern belauschte.«
»Sie waren eingeweiht?«
»Ja, aber ich nicht. Stepanic hat Hutch und Jerome in seine finsteren Pläne mit eingeschlossen. Ich weiß nicht, was sie vorhaben, aber sie wollen jeden Fremden von Kimberly fernhalten. Sie haben von der Nacht der Nächte gesprochen, von einer furchtbaren Apokalypse, wo Alpträume Wirklichkeit werden.« Sie nickte ins Leere hinein, ebenso leer war auch ihr Blick. »Stepanic hat es verstanden, die Menschen auf seine Seite zu ziehen. Dabei ist er kein Einheimischer. Er tauchte hier vor einem Jahr auf…«
»Als Arzt?«
»Ja.« Sie nickte und überlegte einen Moment. »Wir hatten keinen Arzt und waren deshalb froh, daß Stepanic eine Praxis eröffnete. Wer läßt sich schon freiwillig nach Kimberly versetzen?«
»Da haben Sie recht.«
»Er kam also her und richtete seine Praxis ein.«
»Auch das Krankenhaus hier?«
Zum erstenmal hörte ich die Schwester lachen. Nur klang es wenig freundlich. »Krankenhaus ist gut, Mister. Nein, Sie befinden sich nicht in einem Krankenhaus, Sie liegen in Stepanics Haus. In einem kleinen Anbau. Er hat sich hier zwei Krankenzimmer eingerichtet. Primitive Buden, wie Sie sehen, aber kleinere Fälle konnte er schon behandeln. Das Haus steht am Ortsrand.«
»Fenster ohne Griffe«, sagte ich. »Ist Ihnen das nicht merkwürdig vorgekommen?«
»Fragen Sie mich nicht, Mr. Sinclair. Fragen Sie lieber nicht. Es ist alles so grauenhaft. Ich habe zunächst auch nichts bemerkt. Erst als ich schon einige Monate bei Stepanic als Krankenschwester tätig war, da ahnte ich, was hier lief. Diese beiden Pfleger hat er sich mitgebracht, und er hat es geschafft, hier in Kimberly ein Netz aufzubauen, in dem er als Spinne sitzt.«
»Und nun sind die Toten zurückgekehrt«, murmelte ich.
»Sicher.«
»Haben Sie sich darüber schon Gedanken gemacht, Schwester? Ahnen oder wissen Sie etwas?«
»Nein, nein«, flüsterte sie. »Der Schrecken ist für mich unbegreiflich.«
»Es muß ein Motiv geben.«
Sie schaute mich für einen Moment skeptisch
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