Das Fest der Pferde
dahinterstehenden Baum gelehnt, die Beine gerade vor sich ausgestreckt, auf dem einen Fuß etwas Unförmiges, sie konnte es nicht richtig erkennen.
„Simon?“
Hans Tiedjen nickte.
Bille drückte San Pietro die Sporen in die Flanken und galoppierte quer über den Platz.
„He! Was machst du denn da? Und wie siehst du aus, was ist das da an deinem Fuß?“
„Ein Gipsverband, mein Schatz!“
Simon grinste zufrieden.
„Was gibt’s denn da zu lachen? Was um Himmels willen ist passiert? Hast du einen Unfall gebaut?“
„Ich nicht. So ein Schlaumeier von Fahrschüler bei der Bundeswehr.“
„Das mußt du mir ein bißchen genauer erklären.“
„Nun ja. Ich fahr gerade in den Parkhof der Dienststelle ein, bei der ich mich melden sollte, und sehe mich nach einem freien Platz um, entdecke einen in der hintersten Reihe rechts... da kracht’s! Von links. Es war ein Wagen der Fahrschule. Weiß der Teufel, wo der Mann gerade seine Augen gehabt hat, oder ob er Gashebel und Bremse verwechselt hat, es ging alles so schnell, daß nicht mal sein Fahrlehrer mitgekriegt hat, was los war. Was mich betrifft, ich fühlte mich wie in der Kartoffelpresse. Sonst hat’s nur ein paar Prellungen gegeben, aber der Fuß hat die Gewalttour übelgenommen. Der Rest war Formsache. Sanitätsstation, Röntgenaufnahme, Gips - und der freundliche Hinweis, daß mein Fall damit zunächst für ein halbes Jahr zurückgestellt sei. Zum Schluß hat er mich sogar heimgefahren. Der Fahrlehrer, nicht der Unglücksrabe von Schüler.“
„Ich glaube, ich spinne! Das gibt’s doch nicht! Mir scheint, das ist der Sommer der großen Überraschungen.“
„So könnte man es nennen, ja. Zum Glück überwiegen die guten.“
Bille schaute erst zweifelnd auf Simon, dann auf den Gips.
„Die guten? Bist du sicher?“
„Na ja, der gebrochene Fuß, ein paar abgesagte Turniere sind die schlechten. Aber Jamaika, vorerst kein Militärdienst, faulenzen und wochenlang auf deine Pflege angewiesen zu sein, überwiegt das nicht doch?“
Bille sprang aus dem Sattel. Sie kniete sich neben Simon und umarmte ihn heftig.
„Ein paar Wochen für uns, wirklich einmal Zeit haben füreinander, ja, das überwiegt alles. Sogar, daß ich täglich ein paar Pferde mehr reiten muß.“
Simon lachte.
„Glaubst du im Ernst, daß ich wegen dem bißchen Gips da nicht in den Sattel steige? Keine Sorge. Ich kann zwar nicht trainieren, aber meine Pferde bewegen, schöne Ausritte machen werde ich trotzdem. Paß auf, das wird ein sehr gesunder Sommer für dich! Vom Thema Wehrdienst sprechen wir später wieder“, sagte Simon nachdenklich.
Alarm auf Groß- Willmsdorf
Ganz so schnell, wie er gehofft hatte, kam Simon nicht in den Sattel. Zunächst einmal bestanden seine beiden Alten, wie er sie freundschaftlich nannte, sein Vater und Hans Tiedjen , darauf, den gebrochenen Fuß noch einmal von einem Orthopäden untersuchen zu lassen, um einen bleibenden Schaden auszuschließen. Da Simon einsah, wie wichtig die Gesundheit seiner Knochen für seine Karriere als Reiter war, gab er nach und mußte für ein paar Tage ins Krankenhaus. Aber bald darauf konnte man ihn mit beachtlicher Geschwindigkeit auf Krücken durch Ställe und Reithalle hüpfen sehen, und da er nicht Auto fahren konnte, bekam Zottel eine Sonderaufgabe: Er wurde tagtäglich vor eine alte Ponykutsche gespannt und durfte Simon zwischen Peershof und Groß- Willmsdorf hin und her transportieren.
Es dauerte nicht lange, da ließ sich Simon von Tom in den Sattel helfen. Er begann damit, wenigstens Nathan jeden Tag eine Stunde zu reiten, das kurze Training im Springen absolvierte anschließend Bille unter seiner Aufsicht.
Natürlich ritt Simon ohne Steigbügel, um den eingegipsten Fuß nicht zu belasten. Um die Pferdeflanke zu schonen, wurde der Gips sorgfältig mit einem weichen Tuch umwickelt. Wenn das Wetter gut war, ritten Simon und Bille gemeinsam zum Strand hinüber oder sie machten einen Ausflug durch die Felder, und Bille segnete insgeheim den glücklichen Unfall, der ihr so unverhofft schöne Ferien verschaffte. Seit Monaten hatten sie nicht so viel Zeit gefunden, miteinander zu reden, gemeinsam von ihrer Zukunft zu träumen oder einfach still am Strand oder unter einem Baum zu liegen, in den Himmel zu schauen und sich an der Nähe des anderen zu freuen, während die Pferde im Schatten ausruhten.
Es war ein drückend heißer Tag, an dem sie beschlossen, am Moorsee vorbei durch den Wald zu reiten und sich im
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