Das Fest der Pferde
wichtig.“
Bille räusperte sich lachend.
„Gehen wir“, sagte Hans Tiedjen . „San Pietro und Jamaika warten.“
„Okay. Simon will mit Sinfonie ins Gelände gehen. Heute nachmittag machen wir dann mit Nathan und Black Arrow noch eine Runde. Du übernimmst Feodora?“
„ Heute nachmittag ja. Zwischendurch sind Florian und Nico zum Training bei mir.“
Nach der Arbeit mit San Pietro und einer erfrischenden Dusche unterm Wasserschlauch fuhr Bille mit Tom nach Leesten hinüber. Tom setzte Bille vor der Praxis des Zahnarztes ab.
„Ich hab ein paar Sachen zu besorgen. Muß in die Eisenwarenhandlung und zum Schuster, und dann beim Hufschmied vorbeischauen, wegen der falsch ausgestellten Rechnung. Wann soll ich dich abholen?“
„Ich muß nachher noch zur Post, ein bißchen Geld abheben von meinem Sparbuch. Treffen wir uns doch um halb eins am Postamt, dann bin ich sicher fertig.“
„Okay. Also dann - viel Spaß! Oder wie sagt man da? Gut bohr?“
„Ekel!“
„Tschüs, du! Und schön brav sein und nicht schreien, hörst du?“
Bille schnitt eine Grimasse.
Tom sah mit gerunzelter Stirn in ihren Mund.
„Völlig klar, der Zahn muß raus! Ist ja schon total hohl!“ Bevor Bille noch etwas sagen konnte, brauste er davon. Wie meistens war die Behandlung überhaupt nicht schlimm. Bille mußte eine Viertelstunde warten; sie rieb ihre vor Nervosität nassen Handflächen immer wieder an ihren Jeans ab, aber als sie dann ins Behandlungszimmer gebeten wurde und sich in den bequemen Stuhl setzte, die angenehme Kühle des Raumes empfand und die ruhige, dunkle Stimme des Zahnarztes aus dem Nebenzimmer hörte, kam ihre Angst ihr plötzlich töricht vor und sie entspannte sich. Und dann war alles ganz schnell vorbei, sie hatte kaum etwas gespürt. Mit zwei neuen Füllungen, ganz klein, wie ihr der Zahnarzt versichert hatte, und einem Lob über ihre gut gepflegten Zähne wurde sie entlassen. Wie immer nahm sie sich vor, nun aber bestimmt in Zukunft regelmäßig zur Kontrolle zu gehen. Zweimal im Jahr... oder doch mindestens einmal!
In der Post herrschte Hochbetrieb. Ferienreisende, die Geld brauchten, bildeten ein lange Schlange, und Bille mußte eine Weile warten, bis sie an der Reihe war. Trotzdem war es erst Viertel nach zwölf, als sie aus dem Postamt trat und sich neben der Telefonzelle in den Schatten stellte, um auf Tom zu warten.
Es wurde halb eins, es wurde dreiviertel eins, es wurde eins. Von Tom war keine Spur zu sehen. Bille wurde unruhig. Na ja, vielleicht hatte es bei dem einen oder anderen länger gedauert, das kam schon mal vor. Viertel nach eins. Jetzt stand sie schon eine Stunde hier. Neben ihr klappte in regelmäßigen Abständen die Tür der Telefonzelle. Bille vertrieb sich die Zeit mit dem Fragespiel: Tourist oder Einheimischer. Richtig zu raten war nicht schwer, meist waren die Touristen an ihrer Strandkleidung zu erkennen. So gestaltete sie das Spiel schwieriger: Tourist aus dem Rheinland, Baden oder Bayern? Da die meisten Leute wegen der Hitze die Tür geöffnet ließen, konnte Bille an der Sprache feststellen, ob sie richtig geraten hatte oder nicht.
Es wurde Viertel vor zwei. Ob Tom etwas zugestoßen war? Ob er sie vergessen hatte? Nein, Tom war nicht so, daß er eine Verabredung verschusselte . Langsam wurde diese
Warterei wirklich lästig. Sollte sie zu Fuß zum Sparmarkt gehen? Das waren mehr als fünfundzwanzig Minuten. Und inzwischen kam er dann und würde seinerseits auf sie warten. Nein, es war besser, sie blieb, wo sie war, er mußte ja jeden Augenblick kommen.
Es wurde Viertel nach zwei. Billes Laune sank unter den Gefrierpunkt. Hier stand sie sich die Beine in den Bauch, hatte Hunger und Durst, und in Groß- Willmsdorf wartete jede Menge Arbeit auf sie. Was bildete sich der Kerl eigentlich ein? Wenn er so viel zu tun hatte, hätte er ihr ja wenigstens kurz Bescheid sagen können oder Onkel Paul bitten, daß der sie abholte!
Neben ihr betrat eine Frau die Telefonzelle. Sie sprach endlos lange. Dann kam ein dicker junger Mann in einem gestreiften Polohemd und zu weiten Jeans, die unterhalb seines Bauchs von einem breiten Ledergürtel zusammengehalten wurden; er stellte sich neben Bille. Zwischen seinen Lippen wippte eine Zigarette, die er alle zwei Sekunden nach einem heftigen Zug aus dem Mund nahm, um die Asche wegzuschnippen . Er trug eine dunkle Brille, aber Bille sah, daß seine Augen unruhig die Frau in der Telefonzelle fixierten, die sich bei ihrem Gespräch
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