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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
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Haufen Stuss. Doch dem Trooper, der die kleine Puppe gefunden hatte, klopften alle auf die Schulter.
    Und dann fand ein anderer Trooper, an dessen Namen sich Fresssack Hopper nicht erinnern konnte, diese verrückten Spuren. Sie sahen aus wie Hufabdrücke von einer Ziege, waren jedoch größer, und sie konnten nicht von einer Ziege stammen, weil es nur die Hinterhufe waren, und welche Ziege tanzte denn die ganze Zeit auf den Hinterhufen herum? Und schwer musste das Biest gewesen sein, denn die Abdrücke waren tief in den Boden gedrückt. Hopper konnte sich keinen Reim darauf machen, aber den Detective hatte es so sehr beunruhigt, dass er seinen Boss anrief, und bald, sagte er, würde die Kriminalpolizei da sein und ein paar Leute von der Spurensicherung. Doch der springende Punkt war: Der Trooper, der die Abdrücke gefunden hatte, kassierte ebenfalls eine Runde Schulterklopfen.
    Deshalb hielt Fresssack Hopper jetzt die Augen offen, denn wenn diese Typen alles Mögliche fanden und er nicht, würde Bonaldo denken, Hopper hätte schon wieder Mist gebaut, was aber gar nicht stimmte. Es war, als ob diese beiden Trooper ihn absichtlich in ein schlechtes Licht setzten, und auch das war schon vorgekommen.
    Die Insel war geformt wie ein Hasenkopf mit zwei Ohren: zwei Halbinseln, jeweils ungefähr zweihundert Meter lang. Die Überreste des Feuers waren da gefunden worden, wo die Nase des Hasen wäre. Doch das wusste Hopper nicht. Er wusste nur, dass er durch die Bäume auf beiden Seiten Wasser sehen konnte, und weiter vorn, wo der Landstreifen schmaler wurde, sah er noch mehr Wasser. Er stocherte im Gebüsch, schleifte die Füße durch das Laub und hoffte, noch mehr solche kleinen Puppen zu finden. Dabei war er so sehr auf seine Füße konzentriert, dass er nicht auf das achtete, was vor ihm lag, bis er beinahe darüber gestolpert wäre. Er bekam einen Heidenschrecken.
    »Hey, hier drüben!«, schrie er. »Ich hab was gefunden!«
    An einem Baumstamm lehnte mit ausgestreckten Beinen eine Leiche, ein toter Mann, dem die Brille auf der Nase heruntergerutscht war und der die Augen geschlossen hatte, als ob er schliefe. Seine Ohren lagen so dicht am Schädel, dass Hopper zweimal hinschauen musste, um sicher zu sein, dass sie nicht abgeschnitten worden waren. Aber das Wichtigste – und das begriff sogar Fresssack Hopper – war das runde Loch mitten in der Stirn.

16
    Carl war verletzt. Hinterbeine und Schultern waren von Zähnen zerfetzt und zerbissen, seine Hose war blutig, seine Jacke zerrissen. Im Wald war es stockdunkel. Er stolperte gegen Bäume und wurde von Ästen gestoßen. Dornen zerkratzten ihm Hände und Gesicht, dann fiel er vornüber ins Wasser. Er drehte sich auf den Rücken, und die Kälte betäubte ihn. Es tat gut. Der Himmel war klar, der Mond noch nicht aufgegangen. Die Sterne waren heller, als er sie vorher gesehen hatte. Die Milchstraße war eine weiße Pfütze. Er hörte keinen Laut; die Kojoten waren weg. Er trieb auf dem Rücken, bis er fast das Bewusstsein verlor, aber das durfte er nicht zulassen. Er rollte sich herum und stellte sich auf. Das Wasser reichte ihm bis an die Taille. Er plantschte hindurch, watete am Ufer entlang, fiel immer wieder hinein. Er wusste, sie würden mit einem Hund kommen. Nördlich von ihm lag die Außenstelle der Fisch- und Wildtierbehörde im Great Swamp, eine Ansammlung von Gebäuden und Garagen, vielleicht eine, vielleicht zwei Meilen weit entfernt. Er blieb im Wasser, ging jedoch weiter nach Norden.
    Nach einer halben Stunde stieg er ans Ufer und kämpfte sich zwischen den Bäumen hindurch, stolperte, fiel hin, stand wieder auf. Er schmierte sich Schlamm auf die Beine, um das Blut zu stoppen. Wieder rissen die Dornen an ihm. Es brachte ihn zum Lachen, wie der Wald versuchte, ihn zurückzuhalten. Noch eine halbe Stunde später sah er weit vor sich zwischen den Bäumen die Außenbeleuchtung der Hütten. Er strauchelte und fiel auf den Bauch, dann lief er auf allen vieren weiter. Er war ein Wolf. In solchen Augenblicken fühlte er sich am besten, fühlte sich stark. Zu anderen Zeiten konnte er sich nicht erinnern, wo er war oder was er tat. Dann blieb er stehen und sah sich im Dunkeln um. Es war, als wäre er blind. Bei solchen Gelegenheiten hatte er Angst. Er kauerte sich mit dem Rücken an einen Baum und schlang die Arme um die Knie. Er wimmerte. Wusste nicht, was stimmte und was nicht. Erinnerte sich an Dinge aus ferner Vergangenheit, keine großen oder sentimentalen Dinge.

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