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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
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sie kellnert. Hat sich nicht ganz klar ausgedrückt.« Kelly nestelte an einem losen Faden am Ärmel seines Pullovers.
    »In einem Restaurant?«
    »Ich glaube.«
    »Hat sie früher schon in Restaurants gearbeitet?«
    »Nein, es ist das erste Mal.«
    »Und wie viel Geld hat sie Ihnen geschickt?«
    Kelly zog an dem Faden. »Fünfhundert Dollar.«
    »Wann?«
    »Gegen Ende September.«
    »Nicht schlecht für eine Kellnerin, die sich selbst und ein Baby ernähren muss. Und sie ist zu jung, um in einer Bar zu arbeiten.« Detective Lajoie verstärkte den Ausdruck von Mitgefühl und sanfter Trauer. »Mr. Kelly, ich frage Sie ungern, aber glauben Sie, Ihre Tochter könnte etwas mit Prostitution zu tun haben?«
    Kelly machte ein jammervolles Gesicht. Eine andere Antwort brauchte Detective Lajoie nicht.
    Carl verließ das Bootshaus um halb fünf, als die Sonne schon tief am Himmel stand. Viel geschlafen hatte er nicht. Er hatte gefroren, und seine Wunden taten weh. Eine entzündete sich bereits, das spürte er daran, wie sie glühte. Ein paarmal hatte er fernes Hundegebell gehört. Seine Stimmung schwankte zwischen Wut und Angst, aber meistens war er wütend gewesen, hatte sich seine Feinde vor Augen gerufen und sich ausgemalt, was er mit ihnen tun würde. Er würde Hercel und Lucy aufhängen, wie er die Katze aufgehängt hatte. Er würde Stücke aus ihnen herausbeißen, und er würde sie begraben, wo man sie nie mehr finden würde. Er würde sie in den Sumpf schleifen und sie unter einen versunkenen Holzklotz stopfen und zusehen, wie die Luftblasen heraufkamen, bis sie aufhörten. Die Freude, die ihm solche Bilder bereiteten, war eine beinahe sexuelle Lust. Was den alten Mann anging, wollte er dessen Gewehr haben, um eine Rechnung in der Stadt zu begleichen. Und wenn sich die Gelegenheit ergeben sollte, würde er diesen farbigen Cop erschießen. Er würde ihm die schwarze Haut abziehen und sich daraus ein Paar Socken machen. Solche Pläne hatten Carl fast den ganzen Tag beschäftigt. Er hatte sogar einen Plan für den Schäferhund.
    Er arbeitete sich nach Südosten vor. Krähen flatterten in den Bäumen herum. Sie sagten den Kojoten, wo sie ihn finden würden, das wusste Carl. Er spürte, dass alles ihn hasste. Sogar die Bäume hassten ihn. Es gefiel ihm, so gehasst zu werden. Das machte ihn stark. Er dachte weit zurück in seine Vergangenheit und sah die Gesichter von Leuten, die ihm etwas angetan hatten. Er stellte sich vor, wie er sie mit seiner Kralle durchbohrte, wie er sie biss. Immer noch, wenn auch nur kurz, kamen Augenblicke der Panik, in denen er sich fragte, was er hier tat. In diesen Augenblicken fühlte er sich winzig. Dann wollte er sich auf den Boden legen und zu einer Kugel zusammenrollen. Aber nie für lange.
    Um halb sechs kam Carl bei der Mauer an. In der letzten halben Stunde hatte er die Kojoten gehört. Sie kamen näher. Er hatte seine Kralle noch, doch dann hob er einen dicken Ast auf und schlug damit auf einen Stein, bis er ein knapp meterlanges Stück abgebrochen hatte. Er schwang es ein paarmal hin und her. Das war sein Baseballschläger. Er würde ein paar Home Runs schlagen. Aber natürlich nicht mit Bällen, sondern mit Köpfen. Sie würden platzen wie alte Kürbisse. Er würde jeden Kopf zerschlagen, der ihm in die Quere käme. Sie sollten nur sehen.
    Carl war gerade über die Mauer gestiegen, als der Bouvier anfing zu bellen und auf ihn zukam. Das machte ihm keine Sorgen. Im Gegenteil, es machte ihn froh. Geduckt lief er auf das Haus zu, mit langen, ausgreifenden Schritten. Klomp klomp machten die großen Gummistiefel. Er konnte es kaum erwarten, dass der Hund ihn erreichte. Das Wasser lief ihm im Munde zusammen.
    Sie begegneten einander auf halbem Wege zwischen Mauer und Haus. Als der Hund sprang, schwang Carl seinen abgebrochenen Ast, seinen Baseballschläger, und traf den Hund. Home Run Nummer eins. Der Hund fiel winselnd zu Boden und versuchte aufzustehen. Carl schlug noch einmal zu. Home Run Nummer zwei. Carl lief weiter auf das Haus zu. Etwa jetzt würde der alte Mann sein Gewehr holen. Carl gedachte, vorher da zu sein.
    Barton plagte sich mit der Haustür, hielt das Gehgestell aufrecht und legte die Winchester von einem Arm auf den anderen. Er wusste nicht, wo die Kinder waren. Als er die Haustür öffnete, wurde ihm bewusst, dass Gray nicht mehr bellte. Im selben Moment krachte Carl in ihn hinein wie ein Güterzug in ein Dreirad. Barton flog rückwärts zu Boden. Er hob den Kopf, und Carl

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