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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
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größte Chance, die Detective Lajoie hatte. Vielleicht – und das war ein winziges Vielleicht – war sie auch auf der Narragansett Highschool. Aber um so ein winziges Vielleicht konnte Detective Lajoie sich nicht kümmern. Die South Kingstown High lag in der Columbia Street, in einem Wohngebiet, ungefähr drei Meilen Luftlinie weit vom Great Swamp entfernt. Lajoie begab sich geradewegs zur Verwaltung und verlangte den Schulleiter zu sprechen. Die Sekretärin – dunkelhaarig, dreiundzwanzig, rundlich – erklärte, Dr. Jacobs empfange heute keine Besucher.
    »Ist er in seinem Büro?«
    »Ja, aber er empfängt niemanden. Er hat Berge von Papierkram zu erledigen.« Die Sekretärin konnte den Blick nicht von Detective Lajoies smaragdgrünem Hosenanzug wenden. Sie blinzelte, als ob ihr die Augen davon wehtäten.
    Nach Auffassung ihrer Kollegen kannte Detective Lajoie zwei Varianten des Auftretens: die einfühlsam gütige und die brutale. Sie beugte sich über die Theke, um etwas zu flüstern, und die Sekretärin lehnte sich nach vorn. »Hör zu, du lächerliches Miststück, ich kriege ihn in einer Sekunde zu sehen, oder ich drehe dir den beschissenen Hals um.«
    Die Sekretärin fuhr zurück, und ihr Mund formte ein kreisrundes O. »Ich rufe die Security.«
    »Herzchen, ich bin die Security.« Lajoie zeigte ihren Dienstausweis. »Ich hetze Ihnen das gesamte South Kingstown Police Department auf den Hals, wenn Sie nicht tun, was ich sage.«
    Zwei Minuten später stand Detective Lajoie im Büro des Schulleiters. Sein Schreibtisch war von Papier bedeckt. »Sie haben Ms. Henry Angst eingejagt«, stellte er fest.
    Detective Lajoie zuckte mit einer Schulter. »Ja, ja. Sie haben hier eine Schülerin namens Marge oder Margery, sechzehn oder siebzehn Jahre alt, wohnhaft in Wakefield bei ihrem Vater. Kann sein, dass sie die Schule geschmissen hat. Ich brauche Nachnamen und Adresse.«
    Der Schulleiter nahm die Brille ab, putzte sie und setzte sie wieder auf. »Das wäre leider ein Verstoß gegen unsere Datenschutzbestimmungen.«
    Detective Lajoie beugte sich vor und nahm den Telefonhörer ab. »Wie kriege ich eine Leitung nach draußen?«
    Wie eine sanfte Brise die Oberfläche eines Teiches kräuselt, huschte ein nervöser Tremor über die Züge des Schulleiters. »Was haben Sie vor?«
    »Ich werde Ihre beschissene Schule dichtmachen.«
    Margery Kelly, siebzehn Jahre alt, wohnte bei ihrem Vater Phillip in der Jennifer Lane. Detective Lajoie stieg in ihren Mazda 6 und fuhr hinüber. Sie war zwanzig Minuten in der Schule gewesen. South Kingstown Highschool Rebels nannten sie ihre Mannschaft. Rebels, ha! South Kingstown Waschlappen hätte besser gepasst.
    Phil Kelly wollte nicht mit der Polizei sprechen, aber er traute sich nicht, das zu sagen. Er war dünn, nervös, fünfundvierzig Jahre alt und hatte schütteres, mausfarbenes Haar. Den smaragdgrünen Hosenanzug fand er zu grell, als steche ihm jemand absichtlich Nadeln in die Augen. »Möchten Sie ein Glas Orangensaft oder Wasser? Ich trinke selbst leider keinen Kaffee.«
    Sie setzten sich in Kellys Wohnzimmer. Es war schäbig, aber sauber. Das einzige Bild an der Wand war ein gerahmtes Schwarz-Weiß-Foto von Kellys Eltern, die vor einem Baum standen. Auch sie sahen schüchtern aus. In einer Vitrine waren zwanzig deutsche Bierkrüge ausgestellt. Kelly und Detective Lajoie saßen einander gegenüber in zwei zusammengehörigen Kunstledersesseln. Lajoie hatte in den Modus »einfühlsame Güte« geschaltet und ein Lächeln aufgesetzt, das mit Trauer marmoriertes Mitgefühl vermittelte. Kelly hatte ihr bereits erzählt, dass »Maggie« Ende August ausgezogen war und das Baby mitgenommen hatte. Das Baby hieß Connor.
    »Maggie hat mir nie gesagt, wer der Vater war, und ich glaube, sie hat mich belogen, was den Geburtstermin anging. Ich war zu Besuch bei meiner Mutter in Danbury, als das Kind zur Welt kam. Eine Hebamme ist ins Haus gekommen. Als ich zurückkam, war das Kind da. Ein wunderschöner Junge mit strahlend blauen Augen. Ich habe ihn immer versorgt, wenn Maggie unterwegs war, und ihn gefüttert. Mit dem Fläschchen natürlich.« Kelly hatte eine hohe Tenorstimme und arbeitete bei der Sovereign Bank in der Datenerfassung.
    »Wissen Sie, wo sie hin ist?«
    »Nach New York oder Philadelphia – sie hat aus beiden Städten angerufen. Dem Baby gehe es gut, sagte sie, und sie hat mir sogar Geld geschickt, ein paar hundert Dollar für Heizöl.«
    »Was arbeitet sie?«
    »Ich glaube,

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