Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns

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fühlte, als habe er seinen Körper verlassen.
    »Wenn du einschläfst, fällst du mit dem Gesicht auf deinen Teller«, warnte Jill. »Du kannst meine Zahnbürste benutzen, wenn du willst. Ich glaube, wegen Bazillen brauchst du dir keine Sorgen zu machen, alles in allem betrachtet.«
    Jill zeigte ihm das Bad. Lukes Spielsachen standen aufgereiht auf den Wannenrand: Star Wars -Figuren, kleine Rennautos und eine gelbe Gummiente. Jill drückte Zahnpasta auf die Bürste. »Den Rest musst du selbst machen. Musst du pinkeln?«
    »Geht schon.«
    Sie führte ihn zum Bett, und er ließ sich hineinfallen. Sie legte sich neben ihn und zog die Decke hoch. »Ich hoffe, wir bleiben lange zusammen.«
    Woody hob den Kopf eine Handbreit über das Kopfkissen. »Das würde mir gefallen«, sagte er.
    Der kommissarische Polizeichef Fred Bonaldo legte in der Donnerstagnacht hundert Meilen zurück, und das nur in Brewster. Tatsächlich fuhr Harry Morelli, und Bonaldo machte sich Sorgen. Zwanzig Polizisten hatten Dutzende von Befragungen durchführen müssen, um festzustellen, dass es nur vier Zwischenfälle gegeben hatte. Der ganze Rest – beobachtete Gespenster, Schattengestalten und Kojotenmeuten sowie gehörte Geräusche von klirrendem Glas, Schreien, Kojotengeheul und Schüssen (von Fresssack Hoppers kurzfristiger Panik abgesehen) – konnte einem kollektiven Wahnsinn zugeschrieben werden. Trotzdem hatte es Zeit gekostet. Und jeder, mit dem er gesprochen hatte, beklagte sich ausführlich darüber, dass Fred den Fall noch nicht aufgeklärt hatte. Einige hatten ihn angeschrien, und Paulie Webster, die er seit dem zweiten Schuljahr kannte, hatte versucht, ihn auf die Nase zu boxen. War das etwa die Arbeit eines Polizeichefs?
    In einer Stadt, in der die Menschen einander immer schon gekannt hatten und gutwillig und friedlich zusammenlebten, fand Bonaldo es schockierend, zu sehen, wie schnell das alles beiseite gewischt werden konnte. Nachbarn verdächtigten Nachbarn. Deborah Dove, die Leiterin der Bailey Elementary School, wollte ihre Schule schließen. Tommy Cathcart wollte keine Post mehr zustellen. Chucky Stubbs, Herrgott noch mal, wollte das Tierheim dichtmachen. Leute verließen die Stadt. Sogar die Freimaurer fingen an, sich gegenseitig zu misstrauen.
    Brewsters einzige Waffenhandlung machte Riesengeschäfte mit Gewehren, Schrotflinten und Pistolen. Ein Mann kaufte eine Armbrust. Jerry Kowalski, dem die Waffenhandlung gehörte, sagte zu Bonaldo: »Hey, Freddie, ich gebe dir fünf Prozent von meinem Umsatz, wenn du die Sache noch zwei Wochen am Laufen hältst. Fuck , danach setze ich mich zur Ruhe.«
    Bonaldo hatte nicht gelacht. Wegen dieser lächerlichen Einbrüche, bei denen nicht einmal jemand in irgendein Haus eingedrungen war, würden die Leute morgen vor Kowalskis Laden Schlange stehen, und zwar rund um den Block. Es war nur eine Frage der Zeit, wann ein verrückter Bürger einen anderen verrückten Bürger über den Haufen schoss. Bewies das nicht schon die Tatsache, dass Fresssack Hopper mit seiner Glock sieben Kugeln in Charlie Mitzorellis Hauswand gefeuert hatte? Jetzt wollte Charlie sich auch eine Waffe besorgen.
    »Und wenn er mich erschießt?«, hatte Hopper gefragt.
    »Würde dir ganz recht geschehen.« Dann hatte Bonaldo sich entschuldigt. Fresssack Hopper war Lauras Cousin, und da war es gut, wenn es so wenig böses Blut wie möglich gab.
    Gegen halb vier in der Frühe informierten die Kriminalermittler Bonaldo, dass die Fußspuren vor den eingeschlagenen Fenstern bei zwei der vier Häuser von Timberland Pro Terrenes der Größe 45 mit leicht abgenutzten rutschfesten SafeGrip-Gummisohlen stammten. Vor Hoppers Fenster war das Gras zu hoch, deshalb hatte man keine Spuren gefunden.
    Bonaldo warf die Hände in die Höhe. Hatte er nicht gewusst, dass es so kommen würde?
    Er rief Woodys Handy an. Eine Frau meldete sich, und Bonaldo nannte seinen Namen. »Ich muss sofort mit Woody sprechen.«
    »Tut mir leid, er ist nicht erreichbar. Möchten Sie eine Nachricht hinterlassen?«
    Das kam überraschend. Wer war diese Person? »Wer sind Sie?«, wollte Bonaldo wissen.
    »Ich bin Woodys Mutter.«
    Bonaldo war verdattert. Er hatte nicht gewusst, dass Woody überhaupt eine Mutter hatte . Was sollte er sagen? »Tja, äh, sagen Sie ihm, er soll mich so bald wie möglich anrufen. Es geht um Timberland Pro Terrenes, Größe fünfundvierzig.«
    »Das muss ich mir aufschreiben«, sagte die Frau.
    Im Laufe der nächsten Viertelstunde