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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
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vier Zimmer und ’ne Küche, ein Stückchen hinter Otto’s Clam Shack in der Beach Street. Aber es steht am Wasser, wissen Sie, was ich meine? Ich meine, das Wasser ist einfach unschlagbar, oder? Ich meine, das ist Wasser …«
    »Sag mir genau, wo es ist.«
    Jimmy sagte es ihr.
    Beth Lajoie übergab Jimmy an Lieutenant Constantino, schnappte sich Detective Gazzola und ein paar Cops und fuhr mit ihnen nach Hannaquit. Es war kälter geworden, und die Schneedecke reichte wie eine weiße Wand vor ihnen bis an den Strand. Sie hatten die beiden Ford Explorer des Brewster Police Departments genommen, sonst wären sie gar nicht durchgekommen.
    Brantleys Ferienhaus war eine bescheidene, mit gelben Planken verkleidete Keksschachtel, und auf der Tafel vor dem Haus stand CRAZY DAZE . Aber das Grundstück war rund zweitausend Quadratmeter groß, und das Ganze musste eine Million wert sein. Brantleys BMW stand in der Einfahrt unter einer Schicht Schnee.
    Die Polizisten parkten auf der Straße und blockierten die Einfahrt. Sie stapften durch den Schnee zum Haus. Sie waren zu sechst. Alle trugen Schutzwesten, und die vier Streifenpolizisten hatten Helme aufgesetzt. Lajoie hielt ihre Sig P 229 in der einen Hand und eine Taschenlampe in der anderen. Das Bild von Bingo Schwartz, wie er mit auf der Brust gefalteten Händen und einem Loch in der Stirn in dieser verdammten Kiste lag, leuchtete in ihrem Kopf wie ein blinkendes Neonlicht. Sie dachte daran, wie oft sie ihn wegen seiner Summerei angeschrien hatte, und wünschte, sie hätte es nicht getan.
    Im Haus brannte Licht; es war das einzige beleuchtete Haus in der Beach Street. Bis auf Crazy Daze war Hannaquit eine Geisterstadt. Detective Gazzola paffte eine Zigarette nach der anderen und mampfte sein Nicorette. Detective Lajoie wollte gerade eine sarkastische Bemerkung über ihre Teilnahme an seiner Beerdigung machen, als sie sah, dass die Tür an der Seite des Hauses weit offen stand. Die sechs Polizisten blieben stehen, überdachten die Möglichkeiten, die sich ihnen boten, und gingen weiter. Lajoie knipste ihre Taschenlampe aus.
    Sie versammelten sich an der Fliegentür. Auf den drei Holzstufen waren ein paar Fußspuren, die bereits unter dem Schnee verschwanden. Gazzola wollte nicht als Erster hineingehen, und die Streifenpolizisten auch nicht. Das war auch nicht nötig. Lajoie mochte eine Figur wie ein Brot haben, aber sie war flink auf den Beinen. Schließlich hatte sie einen schwarzen Gürtel zweiten Grades. Sie spähte durch die Drahtgittertür ins Wohnzimmer. Dies war der Augenblick, den sie hasste und zugleich liebte – der Augenblick zwischen Handeln und Nichthandeln. Sie stieß die Tür auf, sprang ins Haus und schwenkte die Pistole im weiten Bogen hin und her. In Polizeifilmen schrien die Cops dann immer »Alles klar!«, aber diesen Schwachsinn konnte Lajoie nicht ertragen. Das Zimmer war leer. »Ist okay«, sagte sie zu Gazzola.
    Drei der Zimmer waren leer, die Tür zum vierten war geschlossen. Die Wände im Haus waren kiefernholzgetäfelt. Die Möbel stammten aus den fünfziger Jahren, und der Couchtisch vor dem Sofa war aus einem Hummerkorb gemacht. An den Wänden hingen Aquarelle mit Meerespanoramen: Morgendämmerungen auf dem Ozean mit Fischerbooten in satten Farben. Lajoie erkannte, dass Brantleys Frau Jenny sie gemalt hatte.
    Die Polizisten versammelten sich vor der geschlossenen Tür und lauschten. Sie hörten nur den Wind draußen. Nach ungefähr zehn Sekunden hatte Lajoie keine Lust mehr herumzustehen, und trat die Tür auf. Sie sprang hindurch, die Waffe mit beiden Händen vor sich ausgestreckt.
    Das Zimmer war leer bis auf eine tote Frau, die auf dem Bett lag.
    Lajoie starrte sie an und empfand Atemnot. Es war wie ein Bild.
    »O Gott«, sagte ein Polizist hinter ihr.
    Jenny Brantley lag auf einer Tagesdecke aus pinkfarbener Chenille. Sie trug ein knöchellanges, lavendelblaues Kleid. Ihr kurzes, dunkles Haar war sorgfältig gebürstet, die schmalen weißen Hände waren über den Brüsten gefaltet. Ihre Fingernägel waren leuchtend rot, die Augen geschlossen. Um den Hals lag eine Weißgoldkette mit Saphiren. Lajoie legte ihre Hand an die Wange der Frau. Sie war kalt. Jenny Brantley war so sorgfältig geschminkt, als ginge sie zu einer Party. Sie war barfuß, aber ein Paar schwarze hochhackige Pumps stand auf dem Flechtteppich.
    »Glauben Sie, er hat sie umgebracht?«, fragte Gazzola.
    Die tote Frau sah unversehrt aus. Lajoie zuckte die Achseln. Sie konnte

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