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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
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zumindest. Die Schneeflocken flogen beinahe horizontal durch die Luft. Woody trug seine Schutzweste, Bobby nicht, also ging Woody voran. Das dichte Schneetreiben wehte wie ein Vorhang zwischen ihnen und dem Farmhaus. Sie mussten sich die Flocken aus den Augen wischen.
    Von Dr. Balfour war nichts zu sehen, als plötzlich Schüsse fielen. Kugeln trafen den Lieferwagen. Woody konnte nicht erkennen, woher sie kamen. Er ließ sich auf das Knie fallen und feuerte blindlings.
    »Er ist hinter dem Baum!«, schrie Bobby.
    Woody sah den Mündungsblitz von Balfours Pistole und erwiderte das Feuer. Weitere Kugeln schlugen in den Lieferwagen ein. Eine Windbö trieb noch mehr Schnee vor sich her, und der Baum war kaum mehr als ein Schatten. Woody sah das Mündungsfeuer und sonst nichts – keine Gestalt, nicht mal einen Arm. Man konnte Balfour höchstens mit einem Glückstreffer erwischen. Sie mussten zurück zum Truck. Dann merkte Woody, dass Bobby aufgehört hatte zu schießen. Er blickte über die Schulter und sah, dass Bobby bewegungslos am Boden lag. Vielleicht schrie er Bobbys Namen, das konnte er nachher nicht mehr sagen. Er rannte zu seinem Freund. Balfour feuerte, ohne zu treffen.
    Bobby lag auf dem Rücken und schaute hinauf in den fallenden Schnee. Woody warf sich zwischen ihm und Balfour zu Boden. Dicke Schneeflocken schmolzen auf Bobbys Gesicht.
    »Alles okay«, sagte Bobby. »Ich ruhe mich nur aus.«
    Woody strich ihm den Schnee von der Stirn. Er sprach leise und war im Wind nur schwer zu verstehen. »Sag nichts. Du bist getroffen.«
    »Ja, hatte ich befürchtet. Ich weiß nicht, Woody – lass mich hier nicht sterben. Ich dachte, ich sterbe in dem beschissenen Kühlraum, also lass mich jetzt nicht hier sterben. Ich will nach Hause.«
    »Du stirbst nicht«, sagte Woody. Hoffentlich hatte er recht.
    »Am Arsch.«
    Woody schoss noch zweimal in Balfours Richtung und fing dann an, Bobby hinter den Lieferwagen und zum Tundra zu ziehen.
    »Das tut weh.« Bobbys Stimme war nur noch ein Flüstern.
    »Wo hat er dich erwischt?«
    »Keine Ahnung, weh tut’s überall. Vielleicht Schulter oder Lunge, da ist es am schlimmsten. Und vielleicht habe ich mir das Bein verrenkt.«
    Als sie hinter dem Lieferwagen waren, hob Woody seinen Freund hoch und trug ihn zum Truck. Er setzte Bobby hinein, behutsam und ohne irgendwo anzustoßen.
    »Jetzt mache ich dir überall Blut auf die Sitze. Ich hab doch gesagt, du sollst Leder kaufen. Das kommt davon, dass du nie auf mich hörst.«
    »Mein Gott, kannst du nicht mal die Klappe halten? Du musst aufhören zu reden.«
    Woody hatte gerade die Beifahrertür zugeschlagen, als er hörte, wie der Audi ansprang. Stolpernd kam er um den Lieferwagen herum, aber der Audi raste schon schleudernd auf die Zufahrt zu. Woody schoss zweimal hinterher, ohne zu treffen, und rannte zurück zum Tundra. Unterwegs fiel er hin und rappelte sich wieder auf.
    Als Woody den Truck in die Zufahrt gesteuert hatte, waren die Heckleuchten des Audi nicht mehr zu sehen. Er trat das Gaspedal ganz herunter, und der Truck schoss mit wild durchdrehenden Rädern voran.
    »Fahr nicht gegen einen Baum«, flüsterte Bobby. »Ich könnte mir was tun.«
    Woody schaltete die Innenbeleuchtung ein. Dann langte er mit der rechten Hand nach hinten, während die Linke am Lenkrad blieb, und tastete auf dem Boden nach dem Erste-Hilfe-Kasten. Als er ihn gefunden hatte, versuchte er ihn aufzuklappen.
    »Gib her.« Bobby nahm ihm den Kasten aus der Hand und riss sein Hemd auf. »Es ist die Lunge. Da kommen rosa Bläschen raus. Willst du gucken?«
    »Ich muss fahren.« Woody hatte kein Verlangen danach, hinzuschauen. Er hatte Angst, es könnte furchtbar sein.
    »Ehrlich gesagt, mir geht’s beschissen. Ich quatsche und quatsche. Fuck , was ist los mit mir? Kommt mir vor, als ob ich nicht mehr existiere, wenn ich nicht quatsche. Wahrscheinlich habe ich einen Schock. Höre ich mich an, als hätte ich einen Schock? Wenn ich sterbe, kriege ich einen verdammten Orden. Was für eine Kacke.«
    Die Spuren des Audi führten auf der Hazard Road nach links. Woody beschleunigte bis an die Grenze zwischen Fahren und Kreiseln, zwischen Tempo und Crash. Das Heck brach immer wieder in Richtung Graben aus. Die Lichter des Audi konnte er immer noch nicht sehen, doch seit einer ganzen Weile war kein Schneepflug mehr vorbeigekommen, und er konnte den Reifenspuren folgen. Trotzdem wurde er einfach nicht schnell genug. Woody rief die Einsatzleitung an und meldete, was

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