Das Fest der Schlangen
zurück, dass er sie benutzt hatte.
Ein paar Männer kamen in die Bar, stampften mit den Füßen und schüttelten den Schnee von ihren Jacken. Ein paar andere gingen. Pfützen bildeten sich auf dem Boden. Die, die neu hereinkamen, machten Bemerkungen über das Wetter und über die glatten Straßen. Ein Mann erzählte, er habe einen Kojoten in seinem Garten gesehen, und ein anderer berichtete, sein Nachbar habe auf einen Kojoten geschossen. Zwischendurch hörte Jill das Rumpeln des Schneepflugs.
Margaret unterbrach ihre Erzählung immer wieder und sah sich im Lokal um. Wenn Leute hereinkamen, beobachtete sie sie zweifelnd, und Jill sah die Angst in ihrem Blick. Margaret trank ihren Cosmo aus und bestellte sich noch einen – eine blutrote Flüssigkeit in einem Martini-Glas. Nicht blutrot, dachte Jill. Rot wie Cranberry-Saft. Sie hatte noch ein halbes Bier.
»Warum glauben Sie, dass er Sie umbringen wird?«
»Weil er es gesagt hat. Nicht ausdrücklich. Aber er hat gesagt, er würde dafür sorgen, dass ich es mir anders überlege. Dazu gebe es Mittel und Wege. Und er hat gesagt, ich würde eine gute Tat tun. Erst habe ich das nicht verstanden, doch dann sind mir die Körpermakler eingefallen. Er meinte damit, sie werden mich zerschneiden und verkaufen. Das weiß ich genau.« Margaret schlug die Hände vors Gesicht. Jill berührte ihren Arm.
»Wer ist › sie ‹ ?«, fragte sie.
»Hamilton Brantley und die Leute, die bei ihm arbeiten. Mr. Brantley ist ein paarmal im Ocean Breezes gewesen, wenn Leute gestorben waren. Er und Dr. Balfour haben miteinander gesprochen. Dr. Balfour besorgt die Leichen, und Ham Brantley verkauft sie. Das ist eine Partnerschaft.«
Margaret beschrieb die Männer, die bei Brantley arbeiteten, von denen sie allerdings nur Jimmy Mooney kannte, weil sie mit Jimmys Schwester Linda befreundet gewesen war.
Jill war nicht gleich überzeugt, doch je länger sie darüber nachdachte, desto plausibler klang das alles. Margaret hielt es jedenfalls für wahr.
Was als Nächstes passierte, passierte nicht sofort. Und es war das Gegenteil eines glücklichen Zufalls, was immer das sein mag. Vielleicht war es einfach Pech. Vielleicht hatte das Reden über Brantley und die anderen auch in deren Ohren geklungen wie ein Rufen. Jedenfalls kam Seymour Hodges nicht sofort in die Bar, aber schon bald. Jill sah ihn zuerst. Sie kannte ihn nicht, doch er kam ihr bekannt vor. Tatsächlich hatte sie ihn in der Nacht gesehen, als das Baby aus dem Krankenhaus gestohlen worden war. Seymour hatte in dem Krankenwagen gesessen, der vor der Notaufnahme stand. Dass Margaret den Mann kannte, wurde ihr auch erst klar, als Jill sie anschaute. »Sie wurde weiß wie ein Laken«, erzählte Jill später.
Margaret zog den Kopf ein und warf Jill einen Blick zu. Sie saß mit dem Rücken zur Tür, und vielleicht wäre alles gut gegangen, wenn sie nicht in Panik geraten wäre. Aber vielleicht hätte Seymour sie so oder so gesehen. Er suchte sie ja schließlich, und vielleicht hatte er trotz des Schnees ihren Wagen auf dem Parkplatz erkannt.
»Das ist der, der die Toten im Ocean Breezes abgeholt hat«, sagte Margaret. »Er arbeitet für Dr. Balfour. Er und Jimmy Mooney.«
Jill berührte Margarets Arm noch einmal. »Bleiben Sie ruhig sitzen. Nicht umdrehen.«
Margaret senkte den Kopf. Jill sah, dass sie weinte. Sie beobachtete, wie Seymour an den Tresen ging und etwas zu dem Barkeeper sagte, der daraufhin ein Bier aus dem Kühlschrank nahm. Seymour sah sich um – ein stämmiger junger Mann in einer Sanitäterjacke. Einen Moment lang ruhte sein Blick auf Jill, dann wandte er sich ab.
»Ich muss weg«, sagte Margaret.
Bevor Jill antworten konnte, war Margaret aufgesprungen und lief zu einem Gang am hinteren Ende des Raums. Dort waren die Toiletten, aber auch der Hinterausgang. Hoffentlich würde Seymour denken, Margaret wolle zur Toilette. Doch Jill sah, dass er plötzlich hinauslief.
Einen Moment lang war sie wie gelähmt. Dann rannte auch sie zum Hinterausgang. Draußen rutschte sie im Schnee aus und fing sich nur mit Mühe wieder. Der Parkplatz lag neben der Bar. Seymour hatte Margaret schon gepackt und stieß sie in einen kleinen SUV . Er schlug sie mit irgendeinem Gegenstand.
»Hey!«, schrie Jill. Sie rannte quer über den Platz, rutschend und stolpernd. Seymour saß schon am Steuer. Jill schrie: »Haltet sie auf!«, was Unsinn war, denn kein Mensch war zu sehen.
Der SUV schleuderte durch den Schnee und raste vom
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