Das Fest der Schlangen
Gabe gab ihm einen Klaps auf den Hintern. »So. Das sollte für eine Weile genügen.«
Hartmann stieg von der Massagebank. Er fühlte sich entschieden besser. Bezahlt hatte er vorn am Empfang, aber er fragte sich, ob er Gabe ein Trinkgeld geben sollte. Er langte nach seiner Hose, um die Brieftasche herauszuholen. Etwas fiel aus der Tasche, landete klingelnd auf dem Boden und rollte davon. Die Messingmünze, die der Mann in Boston ihm gegeben hatte, mit dem fünfzackigen Stern auf der einen und der auf den Hinterbeinen stehenden Ziege auf der anderen Seite.
Gabe schob die Hand unter einen Stuhl, hob die Münze auf und sah sie an. »Wow. Wo haben Sie die denn her? Cool. Ist das Ihr Glücksbringer?«
»Die hat mir gestern jemand gegeben.« Hartmann streckte die Hand danach aus.
Gabe schaute die Münze noch einen Moment an und gab sie dann zurück. »Und da sind so komische Buchstaben drauf. Als ob sie uralt wären. Das ist wirklich schräg. Wissen Sie, was es bedeutet?«
Hartmann steckte die Münze ein und zog sich weiter an. »Ich habe keine Ahnung. Irgendwas Mystisches höchstwahrscheinlich.«
»Die Ziege, die auf den Hinterbeinen steht, ist der gehörnte Gott. Daraus wurde später der Teufel. Das ist ein Bild Satans.«
Hartmann band sich die Schuhe zu. Er hatte genug von solchen Themen und wollte an seine Arbeit gehen. »Und wahrscheinlich kommt sie auch aus Afrika. Richtig?«
Gabe überhörte die Ironie. »Höchstwahrscheinlich. Das ganze Zeug ist richtig alt. Pan war ein gehörnter Gott und ist einer der ältesten Götter, die wir kennen – der Gott der Wälder und der Bäume. Wenn wir auf Holz klopfen, bitten wir Pan um Schutz. Das tun wir seit zehntausend Jahren, mindestens.«
Hartmann beschloss, das Trinkgeld zu vergessen. Er streckte die Hand aus. »Danke für die harte Arbeit, Gabe. Sie haben mir unendlich gut getan.«
An diesem Morgen wurde dem Fall ein zweiter Detective der State Police zugewiesen – Bobby Anderson, ein Afroamerikaner. »Hey, ich bin der symbolische Schwarze hier«, sagte er manchmal, wenn er jemanden befragte. Das war entwaffnend und bewirkte, dass sein Gegenüber – wenn es ein Weißer war – ihm offener begegnete, nur um zu zeigen, er habe nichts gegen Schwarze. Weißer Schuldscheiß. »Kannst du behaupten, du wärst der symbolische Weiße?«, fragte er Woody manchmal. »Du bist kein Symbol für irgendwas, du bist die beschissene Realität !« Und wenn Woody ihn einlud, mit ihm auf seinem Boot zum Angeln zu fahren, sagte Bobby: »Angeln! Ich steh auf Brathuhn und Wassermelone. Fische guck ich nicht an, außer Katzenwels. Kannst du mir einen Katzenwels versprechen? Scheiße, du weißt doch, dass Schwarze nicht schwimmen können.«
»Hör schon auf«, sagte Woody dann. »Du warst sechs Jahre bei der Marineeinheit. Du bist ausgebildeter Taucher, Herrgott noch mal.«
Woody betrachtete Bobby Anderson als seinen besten Freund, aber er wusste nicht, was Bobby hinter der Maske seiner Sprüche verbarg. Er wusste, dahinter steckte ein aufmerksamer Beobachter, doch den Grund für die Sprücheklopferei kannte er nicht – besser gesagt, er sah, wie es bei der Arbeit an einem Fall funktionierte, nur begriff er nicht, wieso Bobby es unter Freunden nicht bleiben ließ. Es erweckte den Eindruck unbeschwerter Kameradschaft, war jedoch tatsächlich ein Mittel zur Distanzierung, das Bobby versteckt hielt, während die Person, mit der er redete, immer offener wurde. Vielleicht war es nicht mehr als eine schlechte Angewohnheit, vielleicht wollte er auch eine Barriere aufrecht erhalten. Aber warum das der Fall sein sollte, das wusste Woody nicht.
Bobby war es, der an diesem Morgen den Anruf von Chief Bonaldo entgegennahm und sich von dem Jungen berichten ließ, der den Diebstahl seiner Schlange angezeigt hatte. Vermutlich hätte Bonaldo auch seine eigenen Leute zu dem Jungen nach Hause schicken können, aber er wollte die Verantwortung ein bisschen streuen und so das Risiko verringern, dass er etwas vermasselte und dafür kritisiert wurde. Bobby sagte, er sei in einer Viertelstunde da.
Bobby fuhr seinen eigenen Wagen, einen anthrazitschwarzes Nissan 370 Z Coupé mit Heckspoiler. Er trug einen mittelgrauen Sharkskin-Anzug, ein graphitgraues Hemd und eine rote Seidenkrawatte. Er sah gut aus, und er wusste, dass er gut aussah. Für ihn war es unvorstellbar, als Undercover-Cop zu arbeiten. Sein ganzer Lebenssinn bestand darin, sichtbar zu sein. Wenn einigen Staatspolizisten diese auffällige
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