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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
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Anfall von altruistischer Dämlichkeit – fand Woody – Hercel ein neues Rad kaufen wollen. Dann hielt er es jedoch für besser, es in einer Fahrradwerkstatt abzuliefern, auch wenn Rahmen, Lenker und Vorderrad verbogen waren. Der Sattel, dachte Woody sarkastisch, war immerhin noch in Ordnung.
    Die Außenstelle der Fisch- und Wildtierbehörde war eine große Hütte, die neben einem halben Dutzend anderer Gebäude an der Einfahrt zum Sumpf unter den Bäumen stand. Gail Valetti, eine Kojotenexpertin der Behörde, war eigens am Samstag herausgekommen, um mit ihm zu sprechen. Sie war Mitte dreißig und hatte glattes dunkles Haar und ein strenges Gesicht.
    »Es ist absolut ausgeschlossen«, sagte sie, »dass ein Rudel Kojoten einen Jungen auf dem Fahrrad verfolgt. Kojoten tun so etwas nicht.«
    »Was war es dann?« Sie saßen in Valettis kleinem Büro, umgeben von holzverkleideten Wänden.
    »Wahrscheinlich Hunde, eine frei laufende Hundemeute. Ich weiß sehr wohl, dass viele Leute, die absolut keine Ahnung von Kojoten haben, sie am liebsten ausrotten würden, denn die Tiere haben unverdientermaßen einen schlechten Ruf. Kojoten dienen einem nützlichen Zweck in der Umwelt. Sie helfen mit, die wachsenden Populationen kleinerer Tiere zu reduzieren: Füchse, Waschbären, Stinktiere …«
    »Und Hauskatzen?«
    Valetti sah ihn scharf an. »Wenn Sie Ihre Katze schützen wollen, behalten Sie sie im Haus.«
    Woody hätte beinahe gefragt, warum Kojoten einer Hauskatze vorzuziehen seien, aber er wusste, dass es dann Streit geben würde. In seinen Augen waren Kojoten das Gleiche wie Ratten, nur größer, schöner und dümmer.
    »Bernie Wilcox und ihre Enkelin haben sie ebenfalls gehört. Bernie sagt, es waren Kojoten, keine Hunde.«
    »Von mir aus«, sagte Valetti und zog ihre Brauen auf eine Weise hoch, die Woody nicht gefiel. »Ich habe schon oft mit Barton und Bernie über ihr Kojotenproblem gesprochen. Offenbar werden die Kojoten von den Schafen angelockt.«
    »Wahrscheinlich sind Sie der Ansicht, die beiden sollten ihre Schafe abschaffen und lieber Fahrräder züchten.«
    »Ihre Haltung ist nicht hilfreich«, sagte Valetti. »Sie ist typisch für die meisten Leute. Kojoten sind ein notwendiger Teil des Ökosystems und richten kaum Schaden an. Höchstens zwanzig Menschen werden pro Jahr gebissen, während eine Million durch Hundebisse zu Schaden kommen. Wollen Sie vorschlagen, dass wir alle Hunde einschläfern?«
    »Letzten Dezember wurde auf Prudence Island ein siebenjähriges Mädchen von einem Kojoten weggeschleppt. Zum Glück hat ihr Hund sie gerettet.« Prudence Island lag in der Narragansett Bay, nördlich von Newport.
    Valettis Stimme bekam einen metallischen Klang, emotionslos, geschäftsmäßig. Wie Robby der Roboter , dachte Woody.
    »Zugegeben, das war schrecklich. Aber die Leute lassen Lebensmittel draußen herumliegen, sie lassen ihre Mülltonnen offen, sie haben Komposthaufen und Vogelfutterhäuschen, sie lassen ihre Büsche wuchern. Sie kümmern sich nicht um ihr Ratten- und Mäuseproblem, sie lassen ihre Katzen draußen herumstreunen. Hören Sie in Ihrem Viertel auf, die Kojoten zu füttern, und die Kojoten werden weggehen. Es gibt keinen Grund, weshalb wir nicht in passiver Koexistenz mit ihnen leben sollten. Wo es ein Kojotenproblem gibt, liegt es an den Menschen, die sie unterstützen.«
    Woody hatte ein ganzes Dutzend neunmalkluge Bemerkungen auf der Zunge und schaute weg. Auf dem Schreibtisch standen die Fotos dreier Kinder, die aussahen wie Valetti in Klein. Außerdem sah er das Bild eines Mannes in Uniform mit Captainsstreifen. »Ihr Mann ist Soldat?«
    »Ja.«
    »Wo ist er stationiert?«
    »Momentan im Irak.«
    »Da machen Sie sich bestimmt Sorgen.« Vatellis kühler Blick gab ihm zu verstehen, dass ihn das nichts anging. Wieso redete er überhaupt von ihrem Mann? »Und«, sagte Woody, »wie groß ist die Kojotenpopulation in Rhode Island?«
    »Das ist schwer zu schätzen, weil sie rasch zunimmt. Fünftausend, nehmen wir an, aber es können auch zwanzigtausend mehr sein. Nicht leicht zu sagen.«
    »Könnten die fraglichen Kojoten tollwütig gewesen sein?«
    »Es gibt sehr, sehr wenige Fälle von tollwütigen Kojoten.«
    »Haben sie Feinde?«
    »Wölfe.«
    »Großartig. Und was ist jetzt mit Hercels Kojoten?«
    »Ich sagte Ihnen doch, das waren Hunde. Vielleicht verwilderte Hunde.«
    »Sie haben ausgesehen und sich angehört wie Kojoten.« Jetzt war es Woody, der klang wie ein Roboter.
    »Wer hat sie

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