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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
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nach Hause«, verkündete Baldo.
    »Nein, lass uns lieber zu dir fahren«, sagte Hercel. Woody hörte eine Festigkeit in Hercels Stimme, die vermutlich aus dem Wunsch rührte, seinem Stiefvater nicht zu begegnen.
    Hercel und Baldo saßen mit Ajax auf dem schmalen Rücksitz. Kaum etwas macht einem Golden Retriever mehr Freude als die ungeteilte Aufmerksamkeit von drei Zehnjährigen.
    Woody war drei Blocks weit gefahren, als er plötzlich hart auf die Bremse trat und am Randstein anhielt. »Was zum Teufel ist das?«, schrie er und starrte in den Rückspiegel.
    Eine Kugel hatte das hintere Fenster auf der Beifahrerseite durchschlagen und die Scheibe zerbrochen.
    Woody lehnte sich über den Sitz nach hinten. »Ich schwöre, das war vor einer Minute noch nicht da. Alles okay mit euch?«
    Nach einem Augenblick der Stille platzten Baldo und Tig vor Lachen los: Baldo hatte ein Abziehbild an die Fensterscheibe geklebt, als Woody nicht hingeschaut hatte.
    »Du kannst einem echt auf die Nerven gehen«, sagte Woody humorlos. Im Rückspiegel sah er, wie Hercel nickte.
    Nachdem er die beiden Jungen abgesetzt hatte, bog Woody in die Water Street ein und fuhr weiter zu Barton Wilcox’ Farm. »Wie war das gestern Abend mit Hercel?«
    »Er hat sich selbst K.o. gefahren.« Bei Tig hörte sich das an, als wäre es eine unbeschreiblich mutige Tat gewesen. Sie erzählte, wie sie und Bernie das Kläffen der Kojoten gehört hatten und wie sie zur Tür gelaufen waren, als Gray und Rags anfingen zu bellen. Bernie hatte sich die Flinte geschnappt. Tig war auf den Hof hinausgelaufen und hatte gesehen, wie fünfzig Meter weit vor ihr etwas über die Mauer geflogen kam. Das war Hercel gewesen. »Bernie sagt, er ist drei Meter weit geflogen. Er ist gegen die Mauer gekracht, so fest er konnte. Sein Fahrrad ist total hinüber. Könnten Sie so gegen eine Mauer rasen? Ich könnte es nicht. Und heute Morgen hat er kein bisschen gejammert.«
    Woody wollte wissen, wie es ihr gefalle, Schafe zu haben. Die Lämmer gefielen ihr am besten, sagte Tig; die Schafe selber würden stinken. Am liebsten habe sie die Wolle. Sie erzählte Woody, wie sie Bernie beim Waschen und Kämmen und Spinnen half. Einen Teil des Garns nahmen sie zum Weben, den Rest zum Stricken. Sie habe schon zwei Pullover gestrickt, und jetzt habe sie Hercel versprochen, ihm auch einen zu machen. Sie wolle gern etwas aus Grays und Rags’ Fell weben, aber Bernie meinte, die Haare seien wahrscheinlich zu fein. Ob Woody nicht gern einen hübschen Pullover aus Ajax’ Haaren hätte?
    Nein, danke, sagte Woody. »Mir reichen die Haare, die von den Möbeln an mir hängen bleiben.«
    Die Straße zur Farm hinaus wurde schmaler und der Wald dichter, und Woody dachte daran, wie Hercel, von kläffenden Kojoten verfolgt, durch die Dunkelheit geradelt war. War da wirklich ein Rudel Kojoten zwischen den Bäumen hervorgekommen? Wie viele waren es genau gewesen? Bernie und Tig hatten das Kläffen ebenfalls gehört. Aber Kojoten benahmen sich nicht so. Und er fragte sich, warum die Kojoten Hercel nicht erwischt hatten – so schrecklich das auch gewesen wäre. Sie konnten doch sicher schneller rennen als ein Junge, der mit dem Rad durch die Dunkelheit fuhr.
    Kurz vor der Farm fragte Tig: »Wie denken Sie über Telepathie?«
    »Du meinst Gedankenlesen?«
    »Ja, ich glaube, das ist es wohl.«
    »Ich denke, das ist Quatsch. Manchmal verrät dir der Gesichtsausdruck oder die Körpersprache eines Menschen etwas, und dann sieht es aus, als hättest du seine Gedanken gelesen, aber das hast du nicht. Es gibt immer kleine Signale, kleine Hinweise auf das, was einer denkt.«
    »Und wie denken Sie darüber, dass jemand etwas bewegt, indem er seine Gedanken darauf richtet? Es sozusagen mit seinen Gedanken bombardiert?«
    »Du meinst Telekinese?«
    »Ich weiß nicht, wie es heißt. Nennt man es so, wenn man Dinge mit den Gedanken bewegt?«
    »Ja. Das ist auch Quatsch. Über so was zerbrechen sich die Leute den Kopf, wenn sie nichts Besseres zu tun haben. Warum fragst du?«
    »Nur so aus Neugier.«
    Woody hatte das Gefühl, dass mehr dahintersteckte, aber jetzt hatten sie die Farm erreicht, und die beiden Bouviers kamen herausgestürmt, um sie zu begrüßen.
    Später, gegen fünf, war Woody zur Außenstelle der Fisch- und Wildtierbehörde im Great Swamp hinausgefahren. Hercels knallgrünes Mountainbike lag hinten auf seinem Truck. Barton war zu dem Ergebnis gekommen, dass es nicht zu reparieren war, und hatte in einem

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