Das Fest der Schlangen
sich zu ihr umzudrehen. »Ich weiß, was du vorhast.« Er grinste sie über die Schulter an, mit einem hinterhältigen Grinsen ohne jede Spur von Humor. »Du willst mich einsperren lassen. Du willst ein Fickfest mit diesem farbigen Bullen veranstalten.«
Harriet öffnete den Mund, um zu antworten, aber nichts kam heraus, denn Angst, Überraschung und Empörung kämpften um die Herrschaft über ihre Zunge.
Am Samstagnachmittag kehrte Schwester Spandex in ihre eigene Wohnung zurück, doch sie tat es nicht gern. Sie hatte in den zwei Tagen in Dr. Balfours Wohnung zwar nicht noch einmal mit ihm geschlafen, aber sie hatte gedacht, es könne bald wieder passieren, auch wenn er sie in seinem Gästezimmer schlafen ließ. Sie hatte gedacht, er würde so geil werden, wenn sie – manchmal halb nackt – vor ihm hin und her lief, dass er sie schließlich anfallen würde. So war es ja schon einmal gekommen. Zu Hause hatte sie jedoch keine Chance. Hoffnung auf der einen Seite, keine Hoffnung auf der anderen – so einfach war das.
»Ich wette, du bist schwul«, hatte sie zu ihm gesagt, worauf er nur gelacht hatte.
»Ich wette, du hast Angst vor Frauen«, hatte sie gesagt, und er hatte wieder gelacht.
Das Schlimmste war gekommen, als sie sagte: »Meine Muschi ist ganz nass für dich.« Da hatte er ihr ein Handtuch zugeworfen.
Sie hatte geschmollt, und er hatte es ignoriert. Sie hatte geweint, und er hatte es ignoriert. Schließlich hatte sie gefragt: »Was stimmt denn nicht mit mir?«
»Ich will dich einfach nicht, das ist alles.«
»Kann ich was ändern?«
»Nein. Es ist permanent.«
Sie hatte es mit Zorn versucht. »Ich werde erzählen, dass du mich verführt und in dieses Zimmer gezerrt hast!«
Wieder hatte er gelacht. »Ich bin der Arzt, du bist die Krankenschwester. Wem wird man glauben? Deinen Ruf hast du ja bereits. Schwester Spandex, erinnerst du dich? Du hast dich schon an viele Ärzte herangemacht. Ich bin vielleicht schwach, dumm und verantwortungslos, aber man wird mich als das Opfer und dich als das Raubtier sehen. Sag mir, wer das nicht glauben wird.«
Nach dem Lunch hatte Dr. Balfour sie nach Hause gefahren, vielleicht ein bisschen freundlicher jetzt. »Sie werden dich nicht verhaften, mach dir deshalb keine Sorgen. Und wenn du gefeuert wirst, kannst du dir einen neuen Job suchen. Wir haben Schwesternmangel, weißt du das nicht mehr?«
Ein bisschen später hatte Bobby Anderson vor ihrer Tür gestanden. Sie hatte nicht mit ihm sprechen wollen, und zuerst hatte sie ihn auch nicht für einen Polizisten gehalten. Er fuhr kein Polizistenauto, und sein grauer Sharkskin-Anzug war kein Polizistenanzug. Im nächsten Augenblick stand er jedoch in ihrem Wohnzimmer. Sie wusste nicht, wie es dazu gekommen war.
»Also, Alice, wenn Sie nicht auf dem Klo gesessen haben, was war dann los?« Bobby wollte mehr über die Sache mit Dr. Balfour erfahren – nicht die schmutzigen Einzelheiten, aber das große Ganze –, und er wollte wissen, wie lange sie nicht an ihrem Arbeitsplatz gewesen war. Alice weinte, denn das war immer das Klügste, wenn sie nicht reden wollte. Sie saß auf der Couch, und Bobby marschierte vor ihr hin und her. Er war wirklich unhöflich.
»Verschonen Sie mich mit den Tränen, okay? Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
Sie erklärte, sie habe keinen Sex haben wollen. Dr. Balfour habe sie dazu überredet. Manche Ärzte seien echte Raubtiere, und sie habe ihn nicht bremsen können.
»Hat er Sie vergewaltigt?«
Nein, das könne man nun auch wieder nicht behaupten.
In dem Fall, meinte Bobby, könne man nicht einfach sagen, es sei nur einer von beiden schuld.
Also erzählte sie Bobby, was er wissen wollte. Dr. Balfour habe gesagt, sie solle um zwei Uhr früh vor Zimmer 217 sein, und das Ganze habe exakt fünfzehn Minuten gedauert.
»Na also.« Bobby steckte sein Notizbuch ein. »Das war doch nicht so schlimm, oder?«
Dieser schwarze Klugscheißer.
Unmittelbar vor seinem Besuch bei Schwester Spandex war Bobby bei Carl Krause gewesen, und gleich danach ging er zu seiner Katzeneinheit: sechs Polizisten des Brewster Police Department, die mit Carls Nachbarn in der Gegend von Newport und Hope Street gesprochen hatten. Niemand hatte etwas Verdächtiges bemerkt. Ein paar hatten die Katze in der Gegend gesehen und wussten, dass sie Sooty hieß. Einige sagten, Carl sei immer sehr freundlich gewesen, aber irgendwann im August habe er aufgehört, freundlich zu sein. Sie wussten nicht, warum.
Dann hatte
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