Das Fest der Schlangen
Nina an diesem Samstagabend nicht gefunden.
Hercel verbrachte den Nachmittag und den frühen Abend bei Baldo Bonaldo, nachdem er seine Mutter angerufen und ihr gesagt hatte, wo er war. »Hast du für Montag Hausaufgaben zu machen?«, hatte sie gefragt. Zwanzig Rechtschreibvokabeln und sonst fast nichts, das stimmte wohl, nur waren es schwierige Vokabeln: Hämorrhoiden , Katarrh , Benignität . Wann würde er sie jemals benutzen? Was Hercels Mutter anging, so wusste sie, dass Hercel nicht nach Hause kam, weil er sich von Carl fernhalten wollte. Das machte ihr Angst. Sie hatte keine Ahnung, was sie wegen Carl unternehmen sollte, und sie wagte nicht mehr, mit ihm zu sprechen. Ihre Freundin Anita Barr sagte immer nur: »Wirf ihn raus« oder »Ruf die Polizei«, aber Harriet dachte sich, wenn sie das täte, gäbe es danach nichts mehr zu reparieren.
Hercel hatte seine Mutter nach Sooty fragen wollen, es dann jedoch bleiben lassen. Man würde die Sache behandeln wie die meisten häuslichen Schwierigkeiten: mit hartnäckigem Schweigen. Aber Hercel war traurig. In den meisten Nächten hatte die Katze an seinem Fußende geschlafen. Sie hatte ihm beim Lesen und beim Fernsehen Gesellschaft geleistet. Klar, das Tier hatte Lucy fast genauso sehr geliebt, und seine Mutter noch mehr, was ihm recht war. Nur, dass die Katze tot war, gefiel ihm nicht.
»Eure Katze hat den Löffel abgegeben«, sagte Baldo.
Hercel sagte nicht, er solle die Klappe halten, sondern warf ihm einen Blick zu, der so ziemlich das Gleiche zum Ausdruck brachte.
Das ließ Baldo für ein Weilchen verstummen, aber was ihn interessierte, war Hercels Trick, nicht eine tote Katze.
Hercel schüttelte den Kopf. »Ich rede nicht darüber. Niemals. Wenn du mein Freund sein willst, frag mich nicht danach. Ich will nicht, dass massenhaft Leute darüber quasseln.«
»Ich dachte, du hättest gesagt, du machst es mit Magneten.« Aha, jetzt hab ich dich erwischt , sagte Baldos Ton.
Das mit den Magneten hatte Hercel vergessen. »Es sind Magneten, ganz spezielle Magneten. Mein Dad hat sie mir geschenkt. Ich habe sie weggetan und eingeschlossen. Sie machen mir Angst.«
Baldos Interesse wuchs. »Warum?« Hercel gab keine Antwort. »Ich werde wirklich niemandem davon erzählen.« Baldos einschmeichelnder Ton wurde zu einem näselnden Winseln, allerdings war es ein verdächtiges Winseln.
»Wenn du mit irgendwem darüber redest, bist du nicht mein Freund«, sagte Hercel. »Vielleicht bist du sowieso nicht mein Freund. Vielleicht bist du nur scharf auf meinen Trick.«
Baldo war gekränkt und schüttelte heftig den Kopf. »Ich glaube nicht, dass du es mit Magneten machst. Das ist was anderes, und du solltest stolz darauf sein. Du bist wie David bei David und Goliath, aber du brauchst keine Schleuder. Du könntest ein Held sein.«
Sie waren im Spielzimmer im Keller. Dort stand eine Tischtennisplatte, und Baldo hatte Hercel versprochen, ihm das Spiel beizubringen. »Wäre David ein Held, wenn er sich auf die Suche nach Goliath machte?«, fragte Hercel. »Wenn er ihn aufstöberte?«
»Na klar«, sagte Baldo. »Das nehme ich doch an. Du meinst, wenn er sich an ihn ranschleicht und ihn ermordet?«
»Ja.«
»Er ist David, oder? Er kann praktisch machen, was er will.«
Baldos Mutter fuhr Hercel um neun nach Hause. Es gefiel ihm nicht, kein Fahrrad zu haben. Aus irgendeinem Grund waren viele Leute unterwegs. Von Nina Lefebvre hatte er nicht gehört. Er dachte daran, wie David Goliath tötete, und er fragte sich, ob David danach ein schlechtes Gewissen gehabt hatte.
Um Mitternacht fuhren Seymour und Jimmy durch die Water Street zum Krankenhaus. Sie hatten einen Verkehrsunfall auf der Route 1 gehabt, zwei Herzinfarkte und einen Oldie für den Ofenpalast, und so war es ein guter Abend gewesen. Seymour kiffte, und Jimmy hatte die Fenster geöffnet. Ab und zu hustete er dramatisch, was Seymour gar nicht zu bemerken schien.
Als sie bei Crandall Investments vorbeifuhren, sagte Seymour: »Hey, sieh dir das an. Ronnie ist nicht da. Die zweite Nacht hintereinander. Wo er wohl schläft?«
»Wie soll ich mir was ansehen, was nicht da ist?« Seymour redete dauernd so ein blödes Zeug, dachte Jimmy. »Genauso gut kann ich das Loch in einem Donut anstarren.«
»Was glaubst du, wo er ist?«
Wieder so eine blöde Äußerung. »Wahrscheinlich beim Friseur.«
»Um Mitternacht? Du willst mich verarschen.« Jimmy fand das Thema langweilig. »Ich war draußen in Diggers Ofenpalast. Rate mal,
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