Das Fest der Schlangen
McBride im Eingang von Crandall Investments schläft, gehen die Kojoten auf der anderen Straßenseite vorbei. Vielleicht mögen sie seinen Geruch nicht. Heute Nacht ist Ronnie jedoch irgendwo anders, und die Kojoten haben die Straße ganz für sich allein.
Die vielen Leute, die nach Nina Lefebvre gesucht haben, sind inzwischen nach Hause gegangen. In den Streifenwagen der Polizisten klebt ihr Foto am Armaturenbrett. Bobby Anderson liegt zu Hause mit seiner Frau im Bett. Shawna hat Bobby seit einer Weile nicht gesehen, und ihr ist ein bisschen romantisch zumute, aber Bobby schläft tief, nachdem er den ganzen Abend durch die Gärten der Leute gerannt ist.
Amy Calderone, Harriets Freundin, liegt hellwach im Bett und dreht sich hierhin und dahin. Sie beschließt, eine Tablette zu nehmen, wenn sie in zehn Minuten nicht eingeschlafen ist. Die zehn Minuten vergehen, und sie gibt sich noch einmal zehn. An den meisten Abenden halten sie und ihr Mann einander in den Armen, wenn sie einschlafen. So nah sind sie einander. Heute Nacht schiebt sie ihn immer wieder von sich. Diese Umarmung ist heute Nacht beklemmend. Amy denkt dauernd an Harriet. Warum hetzt sie nicht die Polizei auf diesen Neandertaler? Vielleicht bin ich diejenige, die die Polizei rufen sollte . Harriet wäre wütend. Aber ist ihre Unversehrtheit nicht wichtiger? Wichtiger noch als ihre Freundschaft? Und der Neandertaler, wäre der nicht auch wütend? Amy schiebt Marty von sich und dreht ihm den Rücken zu. Noch zehn Minuten, dann nimmt sie ganz bestimmt eine Tablette.
Larry Rodman sieht sich einen Porno an. Heute Abend gibt es keine Ringe; die Familien wollten sie zurückhaben. Larry sieht gern die klassischen Filme aus den vierziger und fünfziger Jahren. Diese weißen Luder müssen ja inzwischen tot sein, und die Stecher auch. Wenn die Luder noch leben, sind ihre Titten schlaff wie benutzte Gummis. Doch Larry nimmt an, dass sie tot sind. Dieses blonde Luder mit dem dicken Schwanz des schwarzen Typen im Mund – Larry glaubt, dass er sie schon in den Ofen geschoben und getoastet hat. Er muss etliche von denen verbrannt haben. Reine Statistik, weiter nichts. Er hat sie über die Schwelle getragen wie ein Bräutigam. Und dann hat er sie verbrannt. Das ist es, was ihn antörnt, nicht die Titten oder die nassen Muschis. Und wenn er hart genug ist, holt er sich einen runter. Spritzt auf den Bildschirm. Als ob er ihnen ins Gesicht pisste.
Ginger und Howard Phelps spielen Gin Rommée, allerdings nicht so aufmerksam wie sonst. Ginger denkt an die kleine Lefebvre, die verschwunden ist. Was kann da nur in sie gefahren sein? Sie kennt Vicki seit Jahren, und auch wenn sie nicht gut befreundet sind, würde sie doch nie wollen, dass Nina etwas passiert. Howard war eine Zeitlang mit ein paar anderen Männern unterwegs, um sie zu suchen. Vergebliche Liebesmüh, hatte er gesagt. Weder Ginger noch Howard gefällt es, wie die Dinge sich entwickeln, aber sie sprechen nicht darüber. Es ist eher so, als hätten sie einen sauren Geschmack im Mund, ein körperliches Missbehagen, und sie wissen, dass viele Leute es genauso empfinden. Dieses Empfinden hat noch keinen Namen, doch einige Leute liegen wach und überlegen, wie sie es nennen sollen. Anxietät ist ein Wort, das am Montag in Hercels Rechtschreibvokabeltest vorkommen wird. Vielleicht ist es Anxietät.
Um ein Uhr sitzt Woody Potter an seinem Küchentisch vor einem Becher Kamillentee mit Honig und einem maßvollen Quantum Jack Daniel’s. Er hat sich selbst versprochen, gleich schlafen zu gehen, egal wie. Dann hat er sich vorgestellt, wie er Kojoten zählt, die über eine Mauer springen, und darüber musste er lachen.
Der Suchhund von der Hundestaffel hatte Ninas Witterung sechs Blocks weit verfolgt und sie dann verloren. Man nahm allgemein an, dass Nina zu jemandem ins Auto gestiegen war. Ihre Freundinnen wurden angesprochen, aber alle bestritten, sie gesehen, ihr geholfen oder von ihr gehört zu haben. Sie ging in die elfte Klasse der Brewster Highschool, und so nahm man auch Kontakt mit ihren Klassenkameraden auf. Ohne Ergebnis. Dann teilte Vicki mit, Ninas Handy sei verschwunden. Also hatte sie wahrscheinlich jemanden angerufen, oder sie war jemandem begegnet oder hatte jemanden angehalten.
Wenn Woody brütete, setzte Ajax sich zu seinen Füßen hin und starrte ihn an. Wenn Woody zurückschaute, sah er weg. Manchmal brachte Ajax ihm eins seiner Spielzeuge – ausgestopfte Tiere, Zerrspielzeug aus Gummi oder einen
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