Das Fest der Zwerge
bloß ein Haufen … (zensiert)! Wacht auf! Es gibt keinen … (zensiert), und den hat es auch nie gegeben. Dahinter stecken eure … (zensiert) Eltern!«
Das entscheidende Argument führte allerdings Bobby ins Feld, und zwar mit der Veröffentlichung von verschiedenen Auszügen der Kreditkartengesellschaft, die Mr Oscar Boyd unter anderem mit dem Preis für »2 Trällertröten und 3 Brummkreisel« belasteten. Diese Einkäufe, erledigt in der ersten Dezemberwoche vergangenen Jahres, stimmten im Detail überein mit den angeblich vom Weihnachtsmann überbrachten Geschenken für die Boyd-Kinder. »Natürlich sind das alles bloß Indizien«, räumte Barry ›Beaver Collins‹, der Chefredakteur von Our Own Times, ein. »Dennoch glauben wir, dass ein Punkt erreicht ist, der uns zwingt, die Öffentlichkeit zu informieren.«
Die Öffentlichkeit reagierte zunächst mit völligem Unverständnis, aber nach und nach wurden ihr die Bedeutung und das Ausmaß dieses vermeintlichen Betrugs klar. Eine am 1. Dezember durchgeführte Meinungsumfrage unter Fünf- bis Achtjährigen wollte wissen: »Glaubst du an den Weihnachtsmann?« Das Ergebnis: ja = 26%; nein = 38%; weiß nicht – 36%. Ältere Kinder zeigten sich noch skeptischer.
Am 13. Dezember versammelten sich schätzungsweise 300.000 Kinder, die aus allen Stadtteilen herbeigeströmt waren, vor dem Elternhaus von Boyd. Sie skandierten »Wir furzen auf die dicken, fetten Heuchler« und veranstalteten im Vorgarten der Boyds eine feierliche Verbrennung von nicht weniger als 128 Weihnachtsmann-Darstellungen. In jeder größeren Stadt fanden zeitgleich ähnliche Protestkundgebungen statt.
Die wirklich tiefgreifenden und längerfristigen Konsequenzen dieses Skandals zeichneten sich aber erst sehr viel später ab, da sie nicht sosehr in dem, was unternommen wurde, begründet lagen, sondern vielmehr in der Unterlassung dessen, was zu tun notwendig gewesen wäre. Die Leute verhielten sich nämlich so, als wäre nicht nur der Weihnachtsmann, sondern auch das Weihnachtsfest schlechthin in Frage gestellt worden. Unverkaufte Geschenkartikel überfüllten Lager und Warenhäuser, und auf den Straßen blieb ein Wald aus sprödem Immergrün zurück.
Erfolglos bemühten sich etliche prominente Personen, die verhängnisvolle Entwicklung aufzuhalten und umzukehren. Der Kongress bewilligte drei Millionen Dollar, um das Kapitol und das Weiße Haus mit einer riesigen Figurengruppe vom Weihnachtsmann und seinen Rentieren zu schmücken, und aus dem Lincoln Memorial wurde vorübergehend eine Gedenkstätte für den Weihnachtsmann. Der Geistliche Billy Graham verkündete, ein persönlicher Freund des Weihnachtsmannes und seiner Frau zu sein und schon des Öfteren Gebetstreffen in dessen Workshop am Nordpol organisiert zu haben. Aber nichts half, um das öffentliche Vertrauen wiederherzustellen. Am 18. Dezember, eine Woche vor Weihnachten, stürzte der Dow-Jones-Index tiefer denn je zuvor.
In Antwort auf landesweite Bittgesuche seitens der Geschäftsleute wunde der nationale Notstand ausgerufen und Weihnachten um einen Monat auf den 25. Januar verschoben, zu welchem Zeitpunkt das Fest nunmehr gefeiert wird. Die Nationale Vereinigung der Fabrikanten unternahm intensive Anstrengungen, um den in Verruf gekommenen Weihnachtsmann gegen ihre Symbolfigur, die Großmutter Amerikas, einzutauschen. Großmutter Amerika hat gegenüber ihrem Vorgänger den klaren Vorteil, dass sie unsichtbar ist und durch Wände gehen kann. Jenes alte Problem, wie denn Kinder in kaminlosen Häusern an ihre Geschenke kommen, fällt damit flach. Die Hoffnung schien berechtigt, dass diese Kampagne Erfolg haben würde; doch dann regten sich plötzlich konkurrierende Interessengruppen, die am Geschäft der Großmutter Amerikas keinen Anteil hatten und stattdessen Aloysius, den zaubernden Schneemann, ins Spiel brachten. Die Disney Corporation bereicherte das Fernsehprogramm um eine neue, allabendliche Serie unter dem Titel: Onkel Quetsch und der Geist der Weihnachtsgeschenke. Diese sich widerstreitenden und von verschiedenen Lobbyisten eingebrachten Ausgrenzungsversuche führten, wie vorauszusehen war, zu noch größerem Zweifel auf Seiten der Kinder und der Erwachsenen. »Früher war ich eine überzeugte Anhängerin des Weihnachtsmannes«, erklärte Bobbys Mutter in einem Exklusivinterview mit ihrem Sohn, »aber jetzt, bei dem ganzen Firlefanz um Großmutter Amerika und all die anderen Typen, weiß ich nicht mehr, woran ich glauben
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