Das Fest der Zwerge
war.
»Kannst du mir sagen, in welche Richtung wir gehen müssen?«, fragte sie ihren Mann.
Albrecht schüttelte den Kopf. »Ich bin einer schattenhaften Gestalt gefolgt und habe mich dabei verirrt.«
»Mir ging es genauso. Aber ohne diesen Schemen hätte ich dich nicht gefunden. Vielleicht ist es ein Mensch, der sich in den Wäldern versteckt. Aber er kann nicht bösartig sein, sonst hätte er mich nicht zu dir geführt.«
Noch während Bärbel es sagte, schoss Albrecht ein anderer Gedanke durch den Kopf. »Aber wenn es sich um einen Geist handelt?«
»Ich glaube nicht …«, begann Bärbel, brach aber ab, denn eben hatte sie eine junge Frau entdeckt, die durch das Schneetreiben auf sie zukam. Ein Stück vor ihnen blieb die Fremde stehen und machte eine einladende Handbewegung. Obwohl Bärbel beim Anblick der Frau ein seltsames Gefühl beschlich, hoffte sie auf Hilfe. Sie wunderte sich, dass die andere trotz der Kälte nur mit einem dünnen dunkelblauen Kleid bekleidet war und trotzdem nicht zu frieren schien. Ihr Anblick versprach jedoch einen Platz am Feuer und hoffentlich auch eine kräftigende Mahlzeit. Daher führte Bärbel die Stute auf die Frau zu.
Bevor sie die Fremde erreichte, drehte diese sich um und ging voraus. Es dauerte eine Weile, bis Bärbel bemerkte, dass die andere keine Fußstapfen im Schnee hinterließ, während sie selbst bis zu den Waden darin einsank. Doch ihr blieb nichts anderes übrig, als sich auf ihr Gefühl zu verlassen, und das gebot ihr, der Fremden zu vertrauen, die ihnen von Zeit zu Zeit einen besorgten Blick zu warf.
Bärbel beeilte sich, ihr zu folgen, denn Albrecht hing immer kraftloser auf dem Rücken der Stute. Nicht lange, da führte die Fremde sie zu einer großen Lichtung, die sie wegen des reichlich fallenden Schnees nur teilweise überblicken konnten. Als sie endlich den Wald hinter sich gelassen hatten, kam eine Festung in Sicht, wie Bärbel sie noch nie gesehen hatte. Ein mannshoher Wall mit einem Palisadenzaun schützte große, aus mächtigen Baumstämmen errichtete Häuser sowie etliche kleinere Gebäude, die aus Flechtwerk und Lehm bestanden. Bärbels zögerte, doch das Winken der Fremden trieb sie weiter. Ihre Verwunderung wuchs, als sie beim Durchqueren das Tores sah, wie die Füße der Frau mit einem Mal Spuren im frischen Schnee hinterließen, so als wäre sie gerade stofflich geworden.
»Der Knecht wird sich deiner Stute annehmen. Das Pferd deines Gefährten befindet sich bereits hier!«
Es bereitete Bärbel Mühe, die Fremde zu verstehen, denn sie sprach einen altertümlichen Dialekt. Sie atmete jedoch dankbar auf, als zwei Männer herantraten und Albrecht vom Pferd halfen, während ein Dritter den Zügel der Stute ergriff und sie zu einem niedrigeren Gebäude brachte.
Da Bärbel Albrecht nicht allein lassen wollte, folgte sie den beiden Männern und deren Herrin in ein kleineres Haus. Innen war es wegen der geschlossenen Fensterläden dunkel, doch im nächsten Augenblick brachte eine Magd eine brennende Öllampe herein und stellte sie auf den Tisch. Auf ein Zeichen ihrer Herrin legten die Knechte Albrecht auf ein mit Fellen bedecktes Lager und entfernten sich wieder.
»Hilf mir, deinen Gefährten zu entkleiden. Ich will sehen, wie stark er verletzt ist.«
»Steht es schlimm um mich?« Albrecht war auf dem letzten Stück des Weges in eine Art Halbschlaf versunken und kam nun wieder zu sich.
»Du bist hier in guter Hut«, erklärte die Fremde und machte sich daran, ihm den pelzgefütterten Mantel und die Tunika auszuziehen. Bärbel half ihr und strich dabei mit ihren Fingerspitzen über Albrechts Oberkörper. Sie hielt sich für eine halbwegs brauchbare Heilerin und fand heraus, dass ihr Mann auf dem gefrorenen Boden zwar schwer gestürzt war, zum Glück aber nur zwei angebrochene Rippen zu beklagen hatte. Die Prellung würde er jedoch noch etliche Tage spüren.
Nun nahm die Frau in dem blauen Kleid einen Tiegel mit einer scharf riechenden Salbe, welche die Magd ihr reichte, und trug sie mit sanften Bewegungen auf Albrechts Schulter und Brustkorb auf. Dann begann sie, die verletzten Stellen mit aufgewickelten Leinenstreifen zu verbinden. Bärbel empfand beinahe Neid, so geschickt hantierte die Fremde.
Die Frau lächelte ihr beruhigend zu. »Dein Gefährte wird sich rasch erholen und kann heute Abend bei der Feier der Geburt des Herrn teilnehmen. Ihr seid doch gute Christen?«
Bärbel wunderte sich über diese Frage, nickte aber und zeigte auf das
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