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Das Fest der Zwerge

Das Fest der Zwerge

Titel: Das Fest der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Polzin
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Inbrunst, doch Bärbel begann, um sein Leben zu fürchten. Er war allzu kühn, denn die Leute in dieser Halle waren von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen augenscheinlich keine Christenmenschen. Audefleda biss sich auf die Lippen, um kein unbedachtes Wort entschlüpfen zu lassen, drehte dem Fremden, der den Tod des Predigers gefordert hatte, den Rücken zu und kniete vor ihrem Ehemann nieder.
    »Ich bitte dich, höre den frommen Mann an und beuge dein Haupt vor Jesus Christus, auf dass deine Seele ins Paradies finde.«
    »Paradies!« Thorismund spie diesen Begriff förmlich aus. »Weiber mögen sich nach so etwas sehnen, doch ein Krieger, besonders ein wahrer Anführer, strebt danach, in Walhalla aufgenommen zu werden und zu Wotans unsterblichen Scharen zu zählen!«
    »Gut gesprochen!« Audalrich sprang auf und versetzte dem Missionar einen Stoß vor die Brust. »Trolle dich, Christusknecht, und predige den Weibern. Wahre Männer verachten deine Rede.«
    »Nein, Bruder!« Audefleda versuchte, Audalrich zurückzudrängen. Dieser schob seine Schwester wie einen Sack Mehl beiseite und griff zum Schwert. »Ich bringe diesen Engländer jetzt zum Schweigen. Wer wagt es, mich daran zu hindern?«
    »Ich wage es!« Obwohl Albrechts Rippen wieder schmerzten und er sich nur vorsichtig zu bewegen vermochte, trat er auf Audalrich zu und zog seine Waffe.
    Bärbel stöhnte entsetzt auf und wollte ihn zurückhalten. Da geschah etwas Unheimliches. Sie vernahm Thorismunds Kichern, das direkt der Hölle entsprungen zu sein schien. Nun bemerkte sie, dass von dem Mann eine Schwärze ausging, die sich langsam ausbreitete. Außer ihr schien niemand die giftige Wolke zu sehen, die nacheinander Audalrich, Audefleda, deren Mann und auch Albrecht einhüllte. Gleichzeitig schrumpfte Thorismund vor ihren Augen und verwandelte sich von einem stattlich aussehenden, aber fremdartig gekleideten Mann in ein buckliges Geschöpf mit einem Bocksgesicht, zwei krummen Hörnern auf der Stirn, einem in einer Quaste auslaufenden Schwanz und einem linken Bein, das in einem gespaltenen Huf endete. Bärbel erstarrte. Schon einmal war sie einem solchen Geschöpf begegnet und wusste, welch tödliche Gefahr von diesem Wesen ausging. Zu jener Zeit hatte ein Mächtigerer ihr geholfen, den Teufelsknecht zu vertreiben. Diesmal aber war sie auf sich allein gestellt.
    Während Bärbel gegen die Angst ankämpfte, die ihr das Höllengeschöpf einflößte, versuchte der Missionar die erhitzten Gemüter zu beruhigen. »Setzt euch, meine Freunde. Heute ist der Tag der Geburt des Herrn! Da sollte kein Blut vergossen werden.«
    Albrecht fühlte, wie schwach er war, und trat einen Schritt zurück. Sofort verhöhnte Thorismund ihn als Feigling. »Sind das die Krieger, die für ihren sogenannten Heiland kämpfen wollen? Kein Wunder, dass dieser Mensch wie ein gewöhnlicher Räuber ans Kreuz geschlagen wurde.«
    Diese Beleidigung wollte Albrecht nicht auf sich sitzen lassen und funkelte Thorismund an. »Wenn du so mutig bist, wie deine Worte klingen, dann zieh deine Waffe!«
    Bärbel wollte ihn zurückhalten, doch sie brachte kein Wort hervor.
    »Audalrich hat das erste Anrecht auf einen Zweikampf mit dir«, lachte die Höllenkreatur.
    Um Albrechts Lippen erschien ein verächtlicher Zug. »Wer also ist der Feigling von uns beiden?«
    Thorismund sprang auf und streckte seine krallenartige Hand nach Albrecht aus. »Ich werde dir das Herz aus dem Leib reißen und es mit großem Genuss verspeisen.«
    Bärbel trat auf ihn zu und streckte ihm ihr silbernes Kreuz entgegen. »Du wirst niemanden mehr ins Verderben ziehen, Teufelsgezücht!«
    Der Höllenknecht lachte höhnisch und wollte nach ihr greifen. In dem Augenblick fielen Bärbel all die lateinischen Formeln ein, mit denen ihr Burgkaplan regelmäßig die bösen Geister zu vertreiben pflegte und die sie inzwischen auswendig kannte. Jetzt bemühte sie sich, die Worte so klar wie möglich auszusprechen.
    Dem Teufelswesen verging das Lachen. Es schrie kurz auf und wandte sich dann mit einer ausholenden Geste an Audalrich.
    »Töte das Weib!«
    Der junge Mann zögerte, aber als ihn Thorismunds flammender Blick traf, riss er mit verzerrter Miene das Schwert hoch.
    Die Klinge zuckte auf Bärbel zu, doch bevor sie treffen konnte, parierte Albrecht den Angriff. Nun folgte Hieb auf Hieb. Jeder sah, dass Audalrich seinen Gegner töten wollte, um den Befehl, den das Höllengeschöpf ihm gegeben hatte, zu erfüllen.
    Seine Schwester flehte ihn

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