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Das Fest der Zwerge

Das Fest der Zwerge

Titel: Das Fest der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Polzin
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glich mehr einem Gewand, wie Männer es trugen. Um die Schultern hatte sie ein wollenes Tuch geworfen, das von einer goldenen Schließe gehalten wurde. Das Schmuckstück wirkte fremdartig, ebenso die Schärpe, die sich um ihre Hüften schlang. Bärbel hatte zwar nicht ihr bestes Kleid angezogen, doch es war um einiges weiter und reichte bis auf den Boden, nicht nur bis knapp über die Waden.
    Jetzt war Bärbel auch auf die Männer der Burg gespannt, und sie wurde nicht enttäuscht. Die Tunika des Burgherrn, eines großen, rotgesichtigen Mannes mit hellblonden Locken, war von einfacherem Schnitt als Albrechts Obergewand, und darunter trug er unmodische weite Hosen und Schuhe ohne jene Schnabelspitzen, wie Albrecht sie besaß. Um die Schultern des Mannes lag ein Umhang, den er auf der rechten Seite gerafft hatte. Auch das Schwert, das in einer silberbeschlagenen Lederscheide steckte, sah anders aus als die Waffe, die Albrecht trug. Der Griff war kürzer, ebenso die Parierstange. Am seltsamsten aber war das Schmuckstück, das den Hals des Mannes umrahmte. Es ähnelte einem verschnörkelten Hammer. Etliche seiner Gäste, darunter ein junger Mann, dessen Ähnlichkeit mit Audefleda sofort ins Auge stach, schmückten sich mit ähnlichen Anhängern.
    Im Gegensatz zu den anderen trug der Besucher, der in der schlichten Kutte auf dem Ehrenplatz neben dem für Audefleda vorgesehenen Stuhl saß, ein handspannenlanges Kreuz aus Holz auf seiner Brust. Er entdeckte nun die beiden neuen Gäste, vor allem aber das silberne Kreuz, das Bärbel offen trug, schob den Topf von sich weg, der den Symbolen nach zu urteilen Weihwasser enthielt, und nickte ihnen fröhlich zu.
    »Gottes Segen sei mit Euch, ehrenwerte Fremde!« Seine Aussprache klang noch fremdartiger als die ihrer Gastgeberin, und Bärbel erriet den Sinn seiner Worte mehr, als sie ihn verstand.
    »Das ist Herr Winfried aus England, ein Mann Gottes, der das Heidentum durch die Macht seiner Worte vertreiben wird«, stellte Audefleda ihn vor.
    Ihr Mann und ihr Bruder zeigten verärgerte Gesichter, während ein weiterer Gast, der in eine auffallend grellrote Tunika und ebensolche Hosen gekleidet war, wie eine gereizte Schlange zischte. »So leicht sind Wotan und Donar nicht zu stürzen!«
    »Ganz recht!« Audefledas Bruder packte seinen Metbecher und hob ihn in die Höhe. »Auf Wotan, Donar und alle Götter unserer Ahnen.«
    Der rot gewandete Mann klopfte ihm begeistert auf die Schultern. »So ist es recht, Audalrich. Weise diejenigen in ihre Schranken, die einen Mann anbeten, der so schwach war, sich von seinen Feinden ans Kreuz schlagen zu lassen. So etwas kann kein vernünftiger Mensch einen Gott nennen!«
    Bärbel wandte sich flüsternd an Albrecht. »Wo sind wir hingeraten?« Ihr Mann schüttelte sich und verfolgte den Streit mit unruhiger Erwartung.
    Die höhnischen Worte des Rotrocks trafen Audefleda wie ein Schlag. »Darf ich Euch darauf hinweisen, Thorismund, dass auch Ihr ein Fremder in dieser Halle seid und es Euch nicht ansteht, die Hausherrin und deren Gäste zu beleidigen!«
    »Mein Weib hat recht«, erklärte ihr Mann mürrisch. »Ich habe ihr erlaubt, diesen Missionar zu holen und ihn heute predigen zu lassen, und so wird es geschehen.«
    Der Mann in der Kutte, der nach Bärbels Schätzung nicht älter als dreißig sein konnte, erhob sich. Sein Gesicht wirkte nun sehr energisch, und seine Augen schienen die Menschen zu durchdringen. Mit der Rechten ergriff er sein Kreuz und hob es in die Höhe. »Unser Herr Jesus Christus ist mächtiger als all die Götzen aus Holz oder Stein, zu denen ihr betet. Er allein öffnet euch den Weg ins Himmelreich. Wer nicht an ihn glaubt, ist der Hölle verfallen!«
    Der Mann, der Thorismund genannt wurde, zuckte bei den machtvoll durch die Halle rollenden Worten zusammen, als habe ihn ein Blitzstrahl aus dem Nichts getroffen. Doch er hatte sich einen Augenblick später wieder in der Gewalt und wandte sich mit tückisch blitzenden Augen an Audefledas Bruder Audalrich.
    »Willst du es zulassen, dass dieser Kuttenträger Wotan und den mächtigen Donar schmäht? Nein, sage ich! Töten wir den Kerl und werfen seinen Kadaver den Wölfen zum Fraß vor.«
    »Ihr könnt mich töten, doch mein Herr Jesus Christus wird siegen und die Menschen, die an ihn glauben, erlösen. Wir feiern heute das Fest seiner Geburt. Seine Macht ist größer als die aller Wotans und Donars, zu denen ihr Heiden betet!«
    Der Missionar sprach mit bewundernswerter

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