Das Fest des Ziegenbocks
Million Dollar in bar und eine weitere in Form von Immobilien abknöpfen zu können. Wenn Ramfis oder Radhamés wenigstens wie Porfirio wären! Dieser wandelnde Schwanz strotzte vor Ehrgeiz. Und hatte Feinde, wie jeder Sieger. Ständig lag man ihm mit Klatschgeschichten im Ohr, riet ihm, Rubirosa aus dem diplomatischen Dienst zu entfernen, da seine Skandale das Ansehen des Landes befleckten. Neidhammel. Was für eine
bessere Reklame konnte es für die Dominikanische Republik geben als einen solchen Schwanz. Seitdem Porfirio mit Flor de Oro verheiratet war, wollte man, daß er dem herumhurenden Mulatten, der seine Tochter verführt und seine Bewunderung gewonnen hatte, den Kopf abriß. Er würde es nicht tun. Er kannte die Verräter, er roch sie, bevor sie wußten, daß sie Verrat begehen würden. Deshalb lebte er noch, und deshalb verfaulten so viele Judasse in La Cuarenta, La Victoria, auf der Beata-Insel, in den Bäuchen der Haie oder mästeten die Würmer der dominikanischen Erde. Armer Ramfis, armer Radhamés. Ein Glück, daß Angelita ein wenig Charakter besaß und bei ihm blieb.
Er stieg aus der Badewanne und nahm eine kurze Dusche. Der Gegensatz zwischen warmem und kaltem Wasser belebte ihn. Jetzt war er tatsächlich gut aufgelegt. Während er sich Deodorant und Talkum auflegte, verfolgte er Radio Karibik, Sprachrohr der Ideen und Losungen des »intelligenten Schurken«, wie er Johnny Abbes nannte, wenn er guter Laune war.
Der wetterte gegen »die Ratte von Miraflores«, »den venezolanischen Abschaum«, und der Sprecher, der sich stimmlich darauf einstellte, daß er von einem Schwulen sprach, erklärte, daß Präsident Rómulo Betancourt nicht nur das venezolanische Volk ausgehungert, sondern obendrein Unglück über Venezuela gebracht habe, denn war da nicht gerade ein weiteres Flugzeug der venezolanischen Luftpostlinie abgestürzt, mit der Folge von zweiundsechzig Todesopfern? Diese Schwuchtel würde ihren Willen nicht kriegen. Betancourt hatte es geschafft, daß die OAS ihm Sanktionen auferlegte, aber wer zuletzt lacht, lacht am besten. Weder die Ratte des Palasts von Miraflores noch Muños Marin von Puerto Rico mit seiner Drogenmanie, noch der costaricanische Pistolero Figueres machten ihm Sorgen. Die Kirche dagegen wohl. Perón hatte ihn gewarnt, als er Ciudad Trujillo in Richtung Spanien verließ: »Hüten Sie sich vor den Geistlichen, Generalissimus. Es waren nicht die aufrührerischen Oligarchien oder die Militärs, die mich zu Fall gebracht haben; es waren die Soutanen. Paktieren Sie mit ihnen oder machen Sie ihnen endgültig den Garaus.« Ihn würden sie nicht zu Fall bringen. Sie gingen ihm auf die Eier, das ja. Seit diesem schwarzen 25. Januar 1960, vor genau einem Jahr und vier Monaten, hatten sie nicht einen Tag aufgehört, ihm auf die Eier zu gehen. Briefe, Memoranden, Messen, Novenen, Predigten. Alles, was das soutanetragende Pack gegen ihn tat und sagte, fand Echo im Ausland, und in den Zeitungen, in Rundfunk und Fernsehen war die Rede vom unmittelbar bevorstehenden Sturz Trujillos, jetzt, da »die Kirche sich von ihm abgewandt hat«.
Er zog die Unterhose, das Hemd und die Strümpfe an, die Sinforoso am Vorabend vor dem Kleiderschrank zurechtgelegt hatte, neben dem Kleiderständer, auf dem der graue Anzug, das weiße Oberhemd und die blaue, weißgetupfte Krawatte prangten, die er heute morgen tragen würde. Womit verbrachte der Bischof Reilly seine Tage und Nächte in der Santo-Domingo-Schule? Damit, Nonnen flachzulegen? Sie waren schrecklich, einige hatten Haare im Gesicht. Er erinnerte sich, Angelita hatte diese Schule der Wohlsituierten besucht. Seine Enkelinnen ebenfalls. Wie hatten diese Nonnen ihm geschmeichelt, bis zu dem Hirtenbrief. Vielleicht hatte Johnny Abbes recht, und es war Zeit zu handeln. Da die Manifeste, Artikel, Proteste der Rundfunksender und des Fernsehens, der Institutionen, des Kongresses sie nicht abschreckten, galt es zuzuschlagen. Es war das Volk! Es überrannte die Polizisten, die man zum Schutz der ausländischen Bischöfe dort postiert hatte, drang in die Santo-Domingo-Schule und in den Bischofssitz von La Vega ein, zerrte den Gringo Reilly und den Spanier Panal an den Haaren heraus und lynchte sie. Es rächte die Beleidigung des Vaterlandes. Man würde Beileidsbezeigungen und Entschuldigungen an den Vatikan, an den Heiligen Vater Johannes Blödmann schicken – Balaguer war ein Meister im Abfassen solcher Schriften – und ein paar unter gewöhnlichen
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