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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Kriminellen ausgewählte Schuldige exemplarisch bestrafen. Würden sich die anderen Pfaffen angesichts der vom Volkszorn gevierteilten Leichname der Bischöfe abschrecken lassen? Nein, es war
    nicht der richtige Augenblick. Nur keinen Vorwand liefern, damit Kennedy all diesen Betancourt, Muños Marin und Figueres zu Gefallen wäre und eine Truppenlandung anordnete. Einen kühlen Kopf bewahren und mit Vorsicht handeln, wie ein marine.
    Aber was die Vernunft ihm diktierte, überzeugte seine Drüsen nicht. Er mußte das Ankleiden unterbrechen, blind vor Zorn. Die Wut stieg auf sämtlichen verschlungenen Pfaden seines Körpers in ihm hoch, ein Lavastrom, der sich bis zu seinem Gehirn hochwälzte, das zu knistern schien. Mit geschlossenen Augen zählte er bis zehn. Die Wut war schlecht für die Regierung und für sein Herz, sie brachte ihn dem Infarkt näher. In jener Nacht, im Mahagonihaus, hatte die Wut ihn an den Rand des Kollapses gebracht. Er beruhigte sich. Er hatte es immer verstanden, sie zu kontrollieren, wenn es erforderlich war: sich zu verstellen, sich notfalls freundlich, herzlich zu verhalten gegenüber dem schlimmsten menschlichen Auswurf, diesen Witwen, Kindern oder Brüdern der Verräter. Deshalb würde er das Gewicht seines Landes nun bald zweiunddreißig Jahre lang auf den Schultern tragen.
    Er war mit der komplizierten Aufgabe beschäftigt, die Strümpfe an den Strumpfhaltern zu befestigen, damit sie keine Falten warfen. Wie angenehm war es doch, der Wut freien Lauf zu lassen, wenn keine Gefahr für den Staat darin lag, wenn man den Ratten, Kröten, Hyänen und Schlangen geben konnte, was sie verdienten. Die Bäuche der Haie waren Zeugen dafür, daß er sich dieses Vergnügen nicht versagt hatte. War da in Mexiko nicht der Leichnam des perfiden Galiciers José Almoina? Und der des Basken Jesus de Galíndez, eine weitere Schlange, die in die Hand biß, aus der sie fraß? Und der von Ramón Marrero Aristy, der geglaubt hatte, daß er als berühmter Schriftsteller die New York Times mit Informationen gegen die Regierung beliefern konnte, die ihm Besäufnisse, Buchausgaben und Nutten finanzierte? Und die der drei Schwestern Mirabal, die die Kommunistinnen und Heldinnen spielten, waren sie nicht da, um Zeugnis dafür abzulegen, daß nichts seiner Wut Einhalt gebieten konnte, wenn er ihr freien Lauf ließ? Sogar Valeriano und Barajita, die kleinen Verrückten von El Conde, konnten dies bezeugen.
    Er verharrte mit dem Schuh in der Luft, während er sich an das berühmte Pärchen erinnerte. Eine richtige Institution im Kolonialviertel. Sie wohnten unter den Lorbeerbäumen des Kolumbus-Parks, zwischen den Bögen der Kathedrale, und postierten sich zur Hauptgeschäftszeit an den Eingängen der eleganten Schuh- und Schmuckgeschäfte von El Conde, wo sie ihre Verrückten-Nummer aufführten, damit die Leute ihnen eine Münze hinwarfen oder etwas zu essen. Er hatte Valeriano und Barajita mit ihren Lumpen und absurden Verkleidungen oft gesehen. Wenn Valeriano sich für Christus hielt, schleppte er ein Kreuz; wenn für Napoleon, reckte er seinen Besenstiel, brüllte Befehle und rückte gegen den Feind vor. Ein calié, ein Spitzel von Johnny Abbes, berichtete, daß der verrückte Valeriano den Chef lächerlich gemacht, ihn Gendarm genannt hatte. Das weckte seine Neugier. Er beobachtete ihn heimlich von einem Auto mit dunklen Fensterscheiben aus. Der Alte, die Brust mit kleinen Spiegeln und Kronenkorken bedeckt, stolzierte einher und führte seine Medaillen mit Clownsgebaren einer Gruppe erschreckter Zuschauer vor, die nicht wußten, ob sie lachen oder das Weite suchen sollten. »Applaudiert dem Gendarm, ihr Idioten«, rief Barajita, während er auf die schimmernde Brust des Verrückten zeigte. In diesem Augenblick spürte er, wie die Weißglut seinen ganzen Körper erfaßte, ihn blind machte, ihn drängte, den Tollkühnen zu bestrafen. Er gab den Befehl, auf der Stelle. Aber am nächsten Tag, als er dachte, daß Verrückte schließlich und endlich nicht wissen, was sie tun, und daß man, statt Valeriano zu bestrafen, die Witzbolde ergreifen sollte, die das Paar angestachelt hatten, befahl er Johnny Abbes in einem Morgengrauen, das so dunkel war wie diese frühe Stunde: »Verrückte sind verrückt. Laß sie laufen.« Der Chef des militärischen Geheimdienstes verzog das Gesicht: »Zu spät, Exzellenz. Wir haben sie noch gestern den Haien vorgeworfen. Lebendig, wie Sie befohlen haben.«
    Er stand auf, jetzt mit den

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