Das Fest des Ziegenbocks
wie Max Henríquez Urena ihn nannte, diesem Schriftsteller und Historiker, den er mit der Zeit wirklich geschätzt und mit Ehren, Geld und Amtern überhäuft hatte – Kolumnist und Direktor von La Nadón und Arbeitsminister – und dessen drei Bände der Geschichte der Dominikanischen Republik er aus eigener Tasche finanziert hatte, bisweilen in sein Gedächtnis zurück und hinterließ einen bitteren Geschmack in seinem Mund. Wenn er für jemanden die Hand ins Feuer gelegt hätte, dann für den Autor des im In- und Ausland meistgelesenen dominikanischen Romans – Over, über die Zuckermühle Romana –, der sogar ins Englische übersetzt worden war. Ein unbeugsamer Trujillo-Anhänger; das bewies er als Direktor von La Nadón, als er Trujillo und das Regime mit klaren Ideen und kriegerischer Prosa verteidigte. Ein ausgezeichneter Arbeitsminister, der sich wunderbar mit Gewerkschaftern und Arbeitgebern verstand. Als der Journalist Tad Szulc von der New York Times ankündigte, er werde kommen und eine Reihe von Artikeln über das Land schreiben, beauftragte er daher Marrero Aristy, ihn zu begleiten. Er reiste mit ihm überallhin, er verschaffte ihm die Interviews, um die er bat, sogar eines mit Trujillo. Als Tad Szulc in die Vereinigten Staaten zurückkehrte, begleitete Marrero Aristy ihn bis nach Miami. Der Generalissimus hatte nie erwartet, daß die Artikel in der New York Times eine Apologie seines Regimes sein würden. Aber auch nicht, daß sie sich mit der Korruption der »Trujillo-Tyrannei« befassen würden oder daß Tad Szulc mit derartiger Genauigkeit Angaben, Zeiten, Namen und Zahlen über die Besitztümer der Familie Trujillo und über die Geschäfte ausbreiten würde, mit denen Verwandte, Freunde und Mitarbeiter begünstigt worden waren. Nur Marrero Aristy konnte ihn informiert haben. Er war sicher, daß sein Arbeitsminister Ciudad Trujillo nie wieder betreten würde. Es überraschte ihn, daß er aus Miami einen Brief an die New Yorker Tageszeitung schickte, in dem er Tad Szulc der Lüge bezichtigte, und mehr noch, daß er so kühn war, in die Dominikanische Republik zurückzukehren. Er erschien im Regierungspalast. Er erklärte unter Tränen, er sei unschuldig; der Yankee habe sich seiner Bewachung entzogen, heimlich Gespräche mit Gegnern geführt. Es war einer der wenigen Momente, in denen Trujillo die Kontrolle über seine Nerven verlor. Angewidert von seinem Gegreine, verpaßte er ihm eine Ohrfeige, die ihn stolpern und verstummen ließ. Trujillo warf ihn unter Flüchen hinaus, nannte ihn einen Verräter, und als der Chef der Militäradjutanten ihn umgebracht hatte, befahl er Johnny Abbes, das Problem mit dem Leichnam zu lösen. Am 17. Juli 1959 stürzten der Arbeitsminister und sein Chauffeur einen Abhang in der zentralen Kordillere hinunter, als sie nach Constanza fuhren. Sie erhielten ein offizielles Begräbnis; auf dem Friedhof hob der Senator Henry Chirinos das politische Werk des Verstorbenen hervor, und Dr. Balaguer stimmte das literarische Loblied an. »Trotz seines Verrats tat es mir leid, daß er starb«, sagte Trujillo aufrichtig. »Er war jung, gerade erst sechsundvierzig, er hätte noch vieles geben können.« »Gottes Entscheidungen sind unabwendbar«, wiederholte der Präsident ohne den geringsten Anfiug von Ironie. »Wir haben uns von unseren Themen entfernt«, besann sich Trujillo. »Sehen Sie irgendeine Möglichkeit, daß die Dinge mit der Kirche in Ordnung kommen?« »Im Augenblick nicht, Exzellenz. Der Konflikt hat sich zugespitzt. Um offen zu Ihnen zu sein, ich fürchte, er wird sich noch verschlimmern, wenn Sie Oberst Abbes nicht befehlen, daß La Nación und Radio Karibik sich bei ihren Attacken gegen die Bischöfe zurückhalten. Gerade heute habe ich eine formelle Beschwerde des Nuntius und des Erzbischofs Pittini erhalten, wegen der gestrigen Verhöhnung von Monsignore Panal. Haben Sie sie gelesen?«
Er hatte den Ausschnitt auf seinem Schreibtisch und las ihn dem Wohltäter respektvoll vor. In dem Kommentar von Radio Karibik, der von La Nación abgedruckt wurde, hieß es, daß Monsignore Panal, der Bischof von La Vega, »ursprünglich bekannt unter dem Namen Leopoldo de Ubrique«, aus Spanien flüchtig sei und von Interpol gesucht werde. Man beschuldigte ihn, er habe »das Haus der bischöflichen Kurie in La Vega mit Betschwestern gefüllt, bevor er sich seinen terroristischen Phantasien widmete«; jetzt, »da er die gerechte Vergeltung des Volkes fürchtet, versteckt er sich
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