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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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– in ihrem goldenen Rahmen ins Riesenhafte wachsen. Die kleinen Hände des Marionettenpräsidenten streichelten sich gegenseitig, während er sagte, als würde er ein Geheimnis offenbaren:
    »Bisweilen zweifle ich, Exzellenz. Aber schon Vor Jahren bin ich zu dem Schluß gekommen, daß es keine Alternative gibt. Man muß glauben. Es ist nicht möglich, Atheist zu sein. Nicht in einer Welt wie der unseren. Nicht, wenn man sich zum Dienst an der Öffentlichkeit berufen fühlt und Politik macht.«
    »Sie stehen im Ruf, ein Betbruder zu sein«, beharrte Trujillo, während er sich auf seinem Sitz bewegte. »Ich habe sogar gehört, daß Sie nicht geheiratet haben, daß Sie keine Geliebte haben, nicht trinken und keine Geschäfte machen, weil Sie insgeheim ihr Gelübde abgelegt haben. Daß Sie ein Laienpriester sind.«
    Der Präsident schüttelte den Kopf: nichts davon sei wahr. Er habe keinerlei Gelübde abgelegt und würde es auch nie tun; im Unterschied zu manchen Schulkameraden, die sich einst mit der Frage quälten, ob sie vom Herrn für den Dienst als Hirten
    der katholischen Herde ausgewählt worden seien, habe er immer gewußt, daß seine Berufung nicht die Priesterschaft, sondern die intellektuelle Arbeit und das politische Handeln sei. Die Religion gebe ihm eine geistige Ordnung, eine Ethik, um das Leben zu bewältigen. Er zweifle bisweilen an der Transzendenz, an Gott, aber nie an der unersetzbaren Aufgabe, die der Katholizismus als gesellschaftliches Instrument im Hinblick auf die Zügelung der Leidenschaften und Gelüste der menschlichen Bestie erfüllt. Und, auf die Dominikanische Republik bezogen, als konstitutive Kraft der Nation, ebenso wie die spanische Sprache. Ohne den katholischen Glauben würde das Land der Auflösung und der Barbarei anheimfallen. Was seinen Glauben betreffe, so halte er sich an das Rezept des heiligen Ignatius von Loyola in seinen geistlichen Übungen, nämlich zu handeln, als glaubte man, indem man die Riten und Gebote befolgt: Messen, Gebete, Beichte, Kommunion. Die systematische Wiederholung der religiösen Form würde den Inhalt erschaffen, die Leere – in irgendeinem Augenblick – mit Gottes Gegenwart füllen.
    Balaguer verstummte und senkte die Augen, wie beschämt darüber, daß er dem Generalissimus die Abgründe seiner Seele, sein persönliches Arrangement mit dem Höchsten
    Wesen offenbart hatte.
    »Wenn ich Zweifel gehabt hätte, hätte ich nie diesen Toten auferstehen lassen«, sagteTrujillo. »Wenn ich vor meinem Handeln auf irgendein Zeichen des Himmels gewartet hätte. Ich mußte auf mich vertrauen, auf niemanden sonst, als es Entscheidungen zu treffen galt, bei denen es um Leben und Tod ging. Natürlich kann ich mich das eine oder andere Mal geirrt haben.«
    Der Wohltäter erkannte an Balaguers Gesichtsausdruck, daß dieser sich fragte, von wem oder was er ihm erzählte. Er sagte ihm nicht, daß er das Gesicht des kleinen Doktors Enrique Lithgow Ceara vor sich sah. Er war der erste Urologe gewesen, den er konsultiert hatte – von Cerebrito Cabral als Koryphäe empfohlen –, als er merkte, daß es ihn Mühe kostete, Wasser zu
    lassen. Anfang der fünfziger Jahre hatte Doktor Marion, nachdem er ihn an der Harnröhre operiert hatte, ihm versichert, daß er nie wieder Beschwerden haben würde. Aber bald begann das Ungemach mit dem Urinieren von neuem. Nach zahlreichen Analysen und einem unangenehmen rektalen Tasten formulierte Doktor Lithgow Ceara, der mit der Miene einer Hure oder eines salbungsvollen Sakristans unbegreifliche Wortungetüme ausspuckte, um ihn zu demoralisieren (»perineale Harnleiter-Sklerose«, »Uretrographien«, »azinöse Prostatitis«), jene Diagnose, die ihn teuer zu stehen kommen sollte:
    »Sie müssen sich Gott anempfehlen, Exzellenz. Das Prostatata-Leiden ist bösartig.«
    Sein sechster Sinn sagte ihm, daß er übertrieb oder log. Er wußte es sicher, als der Urologe eine sofortige Operation forderte. Zu viele Risiken, wenn man die Prostata nicht entferne, es könne zu Metastasen kommen, das Skalpell und die Chemotherapie würden sein Leben um einige Jahre verlängern. Er übertrieb und log, weil er ein Pfuscher war oder ein Feind. Daß er danach trachtete, den Tod des Vaters des Neuen Vaterlandes zu beschleunigen, wurde ihm vollends klar, als er selbst eine Koryphäe aus Barcelona kommen ließ. Doktor Antonio Puigvert leugnete, daß er Krebs habe; das Wachstum dieser verfluchten Drüse, das auf das Alter zurückzuführen sei, könne mit

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