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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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hinter Nonnen und abartigen Frauen, mit denen er anscheinend hemmungslosen Geschlechtsverkehr betreibt«.
    Der Generalissimus lachte herzlich. Die Einfalle von Abbes García! Das letzte Mal, daß dieser uralte Spanier die Rute hochbekommen hatte, mußte vor zwanzig, dreißig Jahren gewesen sein; ihn zu beschuldigen, daß er die Betschwestern in La Vega flachlegte, war mehr als optimistisch; allenfalls dürfte er die Chorknaben befummeln, wie alle lüsternen, affeminierten Geistlichen. »Der Oberst übertreibt manchmal«, sagte er heiter. »Ich habe eine weitere formelle Beschwerde vom Nuntius und von der Kurie erhalten«, fuhr Balaguer sehr ernst fort. »Wegen der Kampagne, die am 17. Mai in Presse und Rundfunk gegen die Mönche in San Carlos Borromeo
    lanciert wurde, Exzellenz.«
    Er griff nach einer blauen Mappe voller Zeitungsausschnitte mit großen Überschriften. »Die terroristischen Franziskaner-Kapuzinermönche« fabrizierten und lagerten selbstgebastelte Bomben in ihrer Kirche. Das hatten die Nachbarn infolge der zufälligen Explosion eines Sprengkörpers entdeckt. La Nación und El Caribe verlangten, die staatliche Gewalt solle das Schlupfloch der Terroristen besetzen.
    Trujillo ließ einen gelangweilten Blick über die Ausschnitte wandern.
    »Diese Pfaffen haben keinen Schneid, um Bomben zu basteln. Sie attackieren mit Predigten, wenn es hochkommt.« »Ich kenne den Abt, Exzellenz. Bruder Alonso de Palmira ist ein frommer Mann, der sich seiner apostolischen Aufgabe widmet und die Regierung respektiert. Völlig unfähig, eine subversive Handlung zu begehen.« Er machte eine kleine Pause, und brachte mit demselben freundlichen Tonfall, mit dem er nach dem Essen bei Tisch geplaudert hätte, ein Argument vor, das der Generalissimus oft von Agustín Cabral gehört hatte. Um wieder Brücken zur Kirche, zum Vatikan und zu den Geistlichen zu schlagen – die in ihrer übergroßen Mehrheit aus Furcht vor dem atheistischen Kommunismus weiterhin loyal zum Regime stünden – , sei es unerläßlich, daß die tägliche Kampagne der Anschuldigungen und Schmähungen, die den Feinden erlaubte, das Regime als antikatholisch hinzustellen, aufhöre oder zumindest eingeschränkt werde. Dr. Balaguer, höflich wie immer, legte dem Generalissimus einen Protest des State Department wegen der Schikanierung der Ordensschwestern der SantoDomingo-Schule vor. Er habe in seiner Antwort erklärt, die polizeiliche Bewachung schütze die Nonnen vor feindlichen Handlungen. Aber, um die Wahrheit zu sagen, es stimmte, daß man ihnen das Leben zur Hölle machte. Zum Beispiel ließen die Männer von Oberst Abbes jede Nacht über Lautsprecher, die auf das Gebäude gerichtet waren, Merengues mit trujillofreundlichen Texten erschallen, so daß die Nonnen keine Auge zutun konnten. Das hatten sie zuvor auch in San Juan de la Maguana vor der Residenz von Monsignore Reilly getan und taten sie jetzt in La Vega, vor dem Sitz von Monsignore Panal. Noch sei eine Versöhnung mit der Kirche möglich. Aber diese Kampagne bewirke, daß die Krise zum völligen Bruch führe. »Sprechen Sie mit dem Rosenkreuzer und überzeugen Sie ihn«, sagte Trujillo schulterzuckend. »Er ist der Pfaffenfresser; er glaubt, daß es zu spät ist, um die Kirche zu besänftigen. Daß die Geistlichen mich im Exil, als Gefangenen oder als Toten sehen wollen.« »Ich versichere Ihnen, daß es nicht so ist, Exzellenz.« Der Wohltäter überhörte seine Worte. Er blickte forschend auf den Strohmann, ohne etwas zu sagen, mit seinen durchdringenden Augen, die verwirrten und ängstigten. Der kleine Doktor hielt dem inquisitorischen Blick gewöhnlich länger als andere stand; aber jetzt, da er ihn schon seit einigen Minuten schamlos auszog, ließ er allmählich Unbehagen erkennen: seine kleinen Augen schlössen und öffneten sich pausenlos hinter den dicken Augengläsern. »Glauben Sie an Gott?« fragte ihn Trujillo mit einer gewissen Unruhe; er durchbohrte ihn mit seinen kalten Augen, die eine ehrliche Antwort von ihm forderten. »Daß es ein Leben nach demTod gibt? Den Himmel für die Guten und die Hölle für die Bösen? Glauben Sie daran?« Ihm war, als würde die kleine Gestalt Balaguers unter dem Gewicht dieser Fragen noch mehr in sich zusammensinken. Und als würde hinter ihm seine Photographie – in Galauniform mit Dreispitz und Federbusch, die Präsidentenschärpe quer über der Brust neben dem Ehrenzeichen, dem großen spanischen Kreuz Karls III. auf das er am meisten stolz war

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