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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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der Notaufnahme zu informieren, wie es die Pflicht aller Kliniken und Krankenhäuser war, wenn Ärzte und Schwestern nicht im Gefängnis landen wollten. Also würden bald die vom SIM hier auftauchen, um Nachforschungen anzustellen. Doch nein. Juan Tomás, Antonio und Salvador hatten Pupo sicher schon die Leiche gezeigt,
    Roman hatte die Kasernen seinem Kommando unterstellt und die militärisch-zivile Junta angekündigt. Womöglich waren die zu Pupo stehenden Militärs gerade dabei, Abbes García und seine Mörderbande zu verhaften oder zu liquidieren, und steckten die Brüder und Verwandten Trujillos ins Gefängnis, und das Volk stürzte auf die Straße, aufgerufen von den Rundfunksendern, die den Tod des Tyrannen verkündeten. Das Kolonialviertel, der Independencia-Park, El Conde, die Umgebung des Regierungspalastes erlebten bestimmt ein wahres Freudenfest zur Feier der Freiheit. ›Wie schade, auf einem Operationstisch zu liegen, statt zu tanzen, Pedro Livio.‹ In diesem Augenblick erkannte er das verweinte, erschrokkene Gesicht seiner Frau. »Was ist, mein Liebling, was ist dir passiert, was haben sie mit dir gemacht.« Während er sie umarmte und küßte und versuchte, sie zu beruhigen (»Ein Unfall, Liebling, erschrick nicht, sie werden mich operieren«), erkannte er seine Schwägerin und seinen Schwager, Mary und Luis Despradel Brache. Dieser war Arzt und stellte Doktor Damirón Ricart Fragen über die Operation. »Warum hast du das getan, Pedro Livio?« »Damit unsere Kinder in Freiheit leben können, mein Liebling.« Sie bestürmte ihn mit Fragen, ohne mit dem Weinen aufzuhören. »Mein Gott, du blutest ja überall.« Er faßte seine Frau an den Armen, schaute ihr in die Augen und ließ einem Sturzbach zurückgehaltener Gefühle freien Lauf: »Er ist tot, Olga! Tot! Tot!«
    Es war wie im Film, wenn das Bild erstarrt und aus der Zeit heraustritt. Er bekam Lust zu lachen, als er die Ungläubigkeit sah, mit der Olga, seine Schwägerin und sein Schwager, Krankenschwestern und Ärzte ihn anschauten.
    »Sei still, Pedro Livio«, murmelte Doktor Damirón Ricart. Alle drehten sich zur Tür um, weil im Gang hastige Schritte zu hören waren, Leute mit knallenden Absätzen, die sich nicht scherten um die an den Wänden hängenden Schilder mit der Aufschrift »Ruhe«. Die Tür ging auf. Pedro Livio erkannte zwi schen den uniformierten Gestalten sofort das schlaffe Gesicht,
    das Doppelkinn, den fliehenden Unterkiefer und die von Hautwülsten umgebenen Augen von Oberst Johnny Abbes García.
    »Guten Abend«, sagte dieser, den Blick auf Pedro Livio gerichtet, aber an die anderen gewandt. »Gehen Sie bitte hinaus. Doktor Damirón Ricart? Sie bleiben da, Doktor.« »Er ist mein Mann«, schluchzte Olga, während sie sich an Pedro Livio klammerte. »Ich will bei ihm bleiben.« »Raus mit ihr«, befahl Abbes García, ohne sie anzusehen. Es waren noch mehr Männer ins Zimmer getreten, caliés mit Revolvern am Gürtel und Militärs mit umgehängten San-Cristóbal-Maschinenpistolen. Mit halbgeschlossenen Augen gewahrte er, daß sie die schluchzende Olga mitnahmen (»Tun Sie ihr nichts, sie ist schwanger«), ebenso Mary, und daß sein Schwager ihnen folgte, ohne gedrängt werden zu müssen. Sie betrachteten ihn mit Neugier und ein wenig Abscheu. Er erkannte General Felix Hermida und Oberst Figueroa Carrión, den er bei der Armee kennengelernt hatte. Er war Abbes Garcías rechter Arm im SIM, so hieß es.
    »Wie steht es um ihn?« fragte Abbes den Arzt mit sonorer, träger Stimme.
    »Schlecht, Herr Oberst«, antwortete Doktor Damirón Ricart. »Das Geschoß muß nah dem Herzen stecken, im Epigastrium. Wir haben ihm Medikamente gegeben, um die Blutung zu stoppen und ihn operieren zu können.« Viele hielten Zigaretten in den Händen, und das Zimmer füllte sich mit Rauch. Was für eine Lust, zu rauchen, eine dieser erfrischenden Salem-Mentholzigaretten zu inhalieren, die Huáscar Tejeda rauchte und Ghana Díaz immer bei sich zu Hause anbot.
    Dicht über sich, so daß es ihn fast berührte, sah er das gedunsene Gesicht von Abbes García, seine Augen mit ihren schlaffen Schildkrötenlidern.
    »Was ist mit Ihnen?« hörte er ihn sanft sagen. »Ich weiß nicht.« Er bereute sogleich, seine Antwort hätte nicht dümmer sein können. Aber ihm fiel nichts ein. »Wer hat Ihnen diese Schüsse verpaßt?« beharrte Abbes García, ohne die Ruhe zu verlieren.
    Pedro Livio Cedeno blieb stumm. Unglaublich, daß sie in all diesen Monaten, während

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