Das Fest des Ziegenbocks
sieTrujillos Exekution vorbereiteten, niemals an eine Situation gedacht hatten, wie er sie jetzt erlebte. An ein Alibi, an eine Ausflucht, um ein Verhör zu bestehen. ›Wie blöd wir gewesen sindl‹ »Ein Unfall.« Abermals bereute er, etwas so Dummes zu erfinden.
Abbes García wurde nicht ungeduldig. Die Stille war wie mit
Stacheln gespickt. Pedro Livio fühlte schwer und feindlich die Blicke der Männer, die ihn umstanden. Die Enden der Zigaretten glühten auf, wenn sie sie zum Mund führten. »Erzählen Sie mir von diesem Unfall«, sagte der Chef des SIM im gleichen Ton.
»Man hat auf mich geschossen, als ich aus einer Bar kam,
von einem Auto aus. Ich weiß nicht, wer.«
»Aus welcher Bar?«
»El Rubio, in der Galle Palo Hincado, beim IndependenciaPark.«
In wenigen Minuten würden die caliés feststellen, daß er gelogen hatte. Und wenn seine Freunde, die sich nicht an die Abmachung gehalten hatten, einem Verletzten den Gnadenschuß zu geben, ihm nun einen Bärendienst erwiesen hatten?
»Wo ist der Chef?« fragte Johnny Abbes. Eine gewisse Erregtheit hatte sich seines Verhörers bemächtigt. »Ich weiß nicht.« Sein Hals schwoll zu; ihm schwanden erneut die Kräfte.
»Lebt er?« fragte der Chef des SIM. Und er wiederholte: »Wo ist er?«
Obwohl Pedro Livio erneut Schwindel und die Vorboten einer Ohnmacht spürte, bemerkte er, daß der Chef des SIM hinter seiner gelassenen Erscheinung vor Unruhe kochte. Die Hand, mit der er die Zigarette zum Mund führte, bewegte sich fahrig, suchte nach den Lippen. »In der Hölle, hoffe ich, wenn es eine Hölle gibt«, hörte er sich sagen. »Da haben wir ihn hingeschickt.« Abbes Garcías Gesicht, vom Rauch leicht verhüllt, verzog sich auch dieses Mal nicht; aber er öffnete den Mund, als schnappte er nach Luft. Die Stille hatte sich verdichtet. Die Kräfte verlieren, endlich ohnmächtig werden. »Wer?« fragte er ganz sanft. »Wer hat ihn in die Hölle geschickt?«
Pedro Livio antwortete nicht. Der Oberst schaute ihm in die Augen, und er hielt seinem Blick stand, während er an seine Kindheit dachte, in Higuey, wenn sie in der Schule spielten, wer zuerst blinzeln würde. Die Hand des Oberst erhob sich, nahm die brennende Zigarette aus dem Mund und drückte sie, ohne daß er die Miene verzog, auf seinem Gesicht aus, nahe dem linken Auge. Pedro Livio schrie nicht, stöhnte nicht. Er schloß die Lider. Das Brennen war heftig; es roch nach versengtem Fleisch. Als er die Augen öffnete, war Abbes García noch immer da. Es hatte angefangen.
»Wenn man solche Sachen nicht gut macht, läßt man sie besser bleiben«, hörte er ihn sagen. »Weißt du, wer Zacarías de la Cruz ist? Der Chauffeur des Chefs. Ich habe gerade mit ihm gesprochen, im Marion-Krankenhaus. Er ist schlimmer dran als du, von Kopf bis Fuß von Kugeln durchlöchert. Aber er lebt. Du siehst, ihr habt es nicht geschafft. Du sitzt in der Scheiße. Du wirst auch nicht sterben. Du wirst leben. Und mir alles erzählen, was passiert ist. Wer war bei dir an der Straße?« Pedro Livio versank, trieb dahin, jeden Augenblick würde er sich übergeben müssen. Hatten Tony Imbert und Antonio nicht gesagt, daß auch Zacarías de la Cruz mausetot war? Log Abbes García ihn an, um ihm Namen zu entlocken? Wie dumm von ihnen. Sie hätten sich vergewissern müssen, daß der Chauffeur des Chefs ebenfalls tot war. »Imbert hat gesagt, daß Zacarías mausetot ist«, protestierte er. Merkwürdig, gleichzeitig man selbst und ein anderer zu sein.
Das Gesicht des Chefs des SIM neigte sich über ihn. Er konnte seinen nach Tabak riechenden Atem spüren. Seine kleinen Augen waren dunkel, mit gelben Einsprengseln. Er hätte gerne Kraft gehabt, um in diese schlaffen Pausbacken zu beißen. Oder wenigstens, um sie anzuspucken.
»Er hat sich geirrt, er ist nur verletzt«, sagte Abbes García. »Was für ein Imbert?«
»Antonio Imbert«, erklärte er erregt. »Dann hat er mich getäuscht? Scheiße, Scheiße.«
Er gewahrte Schritte, Körperbewegungen, die Anwesenden drängten sich um sein Bett. Der Rauch ließ die Gesichter zerfließen. Er fühlte sich dem Ersticken nahe, als trampelten sie ihm auf der Brust herum. »Antonio Imbert und wer noch«, sagte Oberst Abbes García ihm ins Ohr. Er bekam Gänsehaut bei dem Gedanken, daß er ihm dieses Mal die Zigarette im Auge ausdrücken und ihn halb blind machen würde. »Imbert hat das Sagen? Er hat das organisiert?« »Nein, es gibt keine Chefs«, stammelte er in der Furcht, seine Kräfte
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