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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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uns. Tut mir wirklich leid, meine Herren.«
    Antonio spürte Erleichterung. Endlich war diese lächerliche Fahrerei ohne Ziel zu Ende. Besser, sie starben bei einem Schußwechsel, als wie zwei arme Trottel. Sie drehten sich um. Zwei schwarze Volkswagen folgten ihnen in etwa zehn Meter Entfernung.
    »Ich würde nicht gerne sterben, meine Herren«, sagte der Fahrer bittend, während er sich bekreuzigte. »Bei der heiligen Jungfrau, Señores!«
    »Ist ja gut, fahr irgendwie zum Park, und laß uns an der Ecke der Eisenwarenhandlung raus«, sagte Antonio. Es herrschte starker Verkehr. Der Fahrer manövrierte und schaffte es, sich zwischen einen Autobus mit Menschentrauben an den Türen und einen Lastwagen zu schieben. Er bremste scharf, wenige Meter von der großen Glasfassade der Eisenwarenhandlung Reid entfernt. Als Antonio mit dem Revolver in der Hand aus dem Taxi sprang, bemerkte er noch, daß die Lichter des Parks angingen, als würden sie sie willkommen heißen. Schuhputzer, Straßenverkäufer, Lomberspieler, Herumtreiber und Bettler drängten sich an den Häuserwänden. Es roch nach Früchten und Gebratenem. Er wandte sich um und wollte Juan Tomás antreiben, der, dick und müde, nicht mit ihm Schritt halten konnte. In diesem Augenblick ging die Schießerei in seinem Rücken los. Ohrenbetäubendes Geschrei erhob sich um ihn; die Menschen rannten zwischen den Autos, die Fahrzeuge fuhren auf die Bürgersteige. Antonio hörte schrille Stimmen: »Ergebt euch, verdammt!« »Ihr seid umzingelt, ihr Armleuchter!« Als er sah, daß Juan Tomás erschöpft stehenblieb, blieb auch er neben ihm stehen und begann zu schießen. Er tat es blindlings, denn caliés und Soldaten suchten Deckung hinter den Volkswagen, die wie Barrikaden quer auf der Fahrbahn standen und den Verkehr behinderten. Er sah Juan Tomás auf die Knie fallen, und er sah, wie er die Pistole an den Mund hob, aber der Dicke schaffte es nicht, abzudrücken, da mehrere Schüsse ihn zu Boden streckten. Er selbst war schon von vielen Kugeln getroffen, aber er war nicht tot. ›lch bin nicht tot, verdammt, ich bin es nicht.‹ Er hatte sein ganzes Magazin leergeschossen und versuchte, auf dem Boden liegend, die Hand in die Tasche gleiten zu lassen, um das Strychnin zu
    schlucken. Die verdammte Scheißhand gehorchte ihm nicht. Es war nicht nötig, Antonio. Er sah die flimmernden Sterne der hereinbrechenden Nacht, er sah das heitere Gesicht Tavitos, und er fühlte sich wieder jung.

    XX

    Als die Limousine des Chefs losfuhr und ihn in dem stinkenden Morast zurückließ, zitterte General José Rene Roman von Kopf bis Fuß, wie die kleinen Soldaten, die er in Dajabón, der Garnison an der haitianischdominikanischen Grenze, in den Anfangen seiner militärischen Laufbahn an Sumpffieber hatte sterben sehen. Seit Jahren behandelte Trujillo ihn schlecht, ließ ihn im Familienkreis und vor Außenstehenden spüren, wie wenig Respekt er ihm einflößte, und nannte ihn unter jedem Vorwand einen Dummkopf. Aber nie zuvor hatte er seine Verachtung und seine Beleidigungen so weit getrieben wie an diesem Abend.
    Er wartete, bis das Zittern nachgelassen hatte, bevor er seine Schritte zum Luftwaffenstützpunkt San Isidro lenkte. Der wachhabende Offizier bekam einen Schrecken, als er den leibhaftigen Kommandeur der Streitkräfte zu Fuß und schlammverschmiert aus dem Dunkel auftauchen sah. General Virgilio García Trujillo, Kommandant von San Isidro und Schwager Romans – er war der Zwillingsbruder von Mireya –, war nicht da, aber der Minister der Streitkräfte versammelte alle Offiziere und hielt ihnen eine Strafpredigt: Das kaputte Rohr, das seine Exzellenz empört habe, sei unverzüglich zu reparieren oder sie hätten strengste Strafen zu gewärtigen. Der Chef würde kommen, um die Sache zu überprüfen, und alle wußten, daß er in Fragen der Sauberkeit keine Gnade kannte. Er orderte einen Jeep mit Fahrer, um nach Hause zu fahren; er zog sich nicht um und säuberte sich nicht, bevor er losfuhr. Im Jeep, in Richtung Ciudad Trujillo, sagte er sich, daß dieser Zitteranfall im Grunde nicht auf die Beschimpfungen des Chefs zurückzuführen war, sondern auf die Angespanntheit seit dem Anruf, durch den er erfahren hatte, daß der Wohltäter wütend war. Im Laufe des Tages hatte er sich tausendmal gesagt, daß es unmöglich sei, absolut unmöglich, daß er von der Verschwörung erfahren haben konnte, die sein Pate Luis Amia-ma und sein enger Freund, General Juan Tomás Díaz, angezettelt

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