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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Generalissimus solle entführt und zum Rücktritt gezwungen, aber in keinem Fall ermordet werden. Die anderen Verschwörer hatten ihn verraten, als sie sich nicht an diese Zusage hielten. Er las die Seiten noch einmal durch und unterschrieb sie.
    Er blieb lange allein und wartete, mit einer inneren Ruhe, wie er sie seit der Nacht des 30. Mai nicht mehr empfunden hatte. Als sie ihn holen kamen, wurde es dunkel. Es war eine Gruppe unbekannter Offiziere. Sie legten ihm Handschellen an, führten ihn, ohne Schuhe, auf den Hof des Stützpunktes hinaus und
    ließen ihn in einen Lieferwagen mit getönten Fensterscheiben steigen, auf dem er die Aufschrift »Panamerikanische Erziehungsanstalt« las. Er glaubte, sie würden ihn in die Cuarenta bringen. Er kannte es gut, dieses düstere Haus in der Galle 40, in der Nähe der Dominikanischen Zementfabrik. Es hatte General Juan Tomás Diáz gehört, der es dem Staat verkauft hatte, damit Johnny Abbes es zum Schauplatz seiner ausgetüftelten Methoden machen konnte, mit denen er den Gefangenen Geständnisse entriß. Er war sogar dabeigewesen, als nach der Castro-Invasion vom 14. Juni einer der Verhörten, Dr. Tejada Florentino, der auf dem grotesken Thron saß – Sitz eines Jeeps, Röhren, elektrische Stäbe, Ochsenziemer, Würgeeisen mit Holzgriffen, um den Gefangenen zu strangulieren, während er gleichzeitig Stromstöße erhielt – , durch einen Irrtum des Technikers des SIM, der die höchste Voltzahl eingeschaltet hatte, an dem tödlichen Stoß starb. Doch nein, statt zur Cuarenta brachten sie ihn nach El Nueve an der Mella-Landstraße, einer ehemaligen Residenz von Pirulo Sánchez Rubirosa. Auch dort befand sich ein Thron, der kleiner, aber moderner war. Er hatte keine Angst. Jetzt nicht mehr. Die panische Angst, die ihn seit der Nacht des Mordes an Trujillo in einen »Besessenen« verwandelt hatte, wie man diejenigen nannte, die bei den Vodu-Zeremonien nicht mehr sie selbst waren und von Geistern in Besitz genommen wurden, war völlig verschwunden. In El Nueve zogen sie ihn nackt aus und setzten ihn auf den angeschwärzten Stuhl, in der Mitte eines fensterlosen, kaum beleuchteten Raumes. Der starke Geruch nach Exkrementen und Urin verursachte ihm Übelkeit. Der Stuhl war unförmig und absurd mit seinen Zusätzen. Er war in den Boden eingelassen und hatte Riemen und Ringe, um die Fuß- und Handgelenke, den Brustkorb und den Kopf festzubinden. Seine Armlehnen waren mit Kupferplatten bedeckt, um den Fluß des elektrischen Stroms zu erleichtern. Ein Bündel Kabel lief vom Thron bis zu einem Schreibtisch oder einer Anzeigetafel, von der aus die Voltstärke kontrolliert wurde. Im trüben Licht erkannte er, während man ihn an den Stuhl fesselte, zwischen
    Pechito Leon Estévez und Sánchez Rubirosa das blutleere Gesicht von Ramfis. Er hatte sich den Schnurrbart abrasiert und war ohne seine ewige Ray-Ban-Sonnenbrille. Er schaute ihn an mit dem verlorenen Blick, den er an ihm gesehen hatte, als er die Folterung und Ermordung der Überlebenden von Constan-za, Maimón und Estero Hondo im Juni 1959 leitete. Er schaute ihn weiter wortlos an, während ein calié ihm den Schädel rasierte, ein anderer ihm kniend die Fußknöchel festband und ein dritter Parfüm im Raum versprühte. General Roman Fernán-dez hielt diesen Augen stand.
    »Du bist der schlimmste von allen, Pupo«, hörte er ihn plötzlich sagen, mit einer vom Schmerz gebrochenen Stimme. »Alles, was du bist, und alles, was du hast, verdankst du Papi. Warum hast du das getan?« »Aus Liebe zu meinem Vaterland«, hörte er sich sagen. Einen Augenblick herrschte Schweigen. Ramfis ergriff wieder das Wort: »Ist Balaguer beteiligt?«
    »Das weiß ich nicht. Luis Amiama hat mir gesagt, sie hätten bei ihm vorgefühlt, über seinen Arzt. Er schien nicht sehr sicher zu sein. Ich glaube eher, daß er es nicht war.« Ramfis machte eine Kopfbewegung, und Pupo fühlte sich mit der Kraft eines Zyklons nach vorne geworfen. Der Stoß schien ihm sämtliche Nerven zu zerquetschen, vom Gehirn bis in die Füße. Riemen und Ringe schnitten ihm in die Muskeln, er sah Feuerkugeln, spitze Nadeln bohrten sich in seine Poren. Er widerstand, ohne zu schreien, er stöhnte nur. Obwohl er bei jedem Stromstoß – sie folgten mit Pausen aufeinander, in denen sie eimerweise Wasser über ihm ausschütteten, um ihn wiederzubeleben – das Bewußtsein verlor und blind war, kam er danach wieder zu sich. Dann stieg ihm dieses Dienstmädchenparfüm in die Nase.

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