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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Er versuchte, eine gewisse Haltung zu bewahren, sich nicht zu erniedrigen, indem er um Erbarmen bat. In dem Alptraum, aus dem er nie mehr herausfinden würde, war er sich zweier Dinge sicher: Unter seinen Folterern erschien niemals Johnny Abbes García, und irgendwann informierte ihn jemand, vielleicht Pechito Leon Estévez oder General Tuntin Sánchez, Bibín habe bessere Reflexe als er gehabt, denn es sei ihm gelungen, sich eine Kugel in den Mund zu schießen, als der SIM ihn in seinem Haus an der Ecke Arzo-bispo Nouel und José Reyes holen kam. Pupo fragte sich oft, ob seine Söhne Älvaro und JoséRene, denen er nie von der Verschwörung erzählt hatte, Mittel und Wege gefunden hatten, sich umzubringen. Zwischen den Sitzungen auf dem elektrischen Stuhl schleppten sie ihn nackt in ein feuchtes Verlies, in dem eimerweise über ihm ausgegossenes stinkendes Wasser ihn wieder zu sich brachte. Um ihn am Schlafen zu hindern, klebten sie ihm die Augenlider mit Pflastern an den Augenbrauen fest. Wenn er trotz der offenen Augen in einem Zustand halber Bewußtlosigkeit versank, schlugen sie mit Baseballschlägern auf ihn ein, um ihn zu wecken. Mehrmals stopften sie ihm nicht eßbare Substanzen in den Mund; einmal erkannte er Exkremente und erbrach sich. Später konnte er dann bei diesem raschen Abstieg in die Unmenschlichkeit im Magen behalten, was sie ihm gaben. Bei den ersten elektrischen Sitzungen verhörte Ramfis ihn. Er wiederholte ständig die gleiche Frage, um zu sehen, ob er sich widersprach. (»Ist Präsident Balaguer beteiligt?«) Er antwortete, wobei er unerhörte Anstrengungen unternahm, damit die Zunge ihm gehorchte. Er hörte sogar Lachen und dann die farblose, leicht weibliche Stimme von Ramfis: »Halt den Mund, Pupo. Du brauchst mir nichts zu erzählen. Ich weiß schon alles. Jetzt bezahlst du nur für deinen Verrat an Papi.« Es war die gleiche mißtönend schwankende Stimme wie bei der blutigen Orgie nach dem
    14. Juni, als er den Verstand verlor und der Chef ihn in eine psychiatrische Klinik in Belgien schicken mußte. Bei diesem letzten Dialog mit Ramfis konnte er ihn schon nicht mehr sehen. Man hatte ihm die Pflaster entfernt und ihm dabei die Augenbrauen herausgerissen, während eine betrunkene, vergnügte Stimme ihm ankündigte: »Jetzt wird es dunkel werden, damit du schön schlafen kannst.« Er spürte die Nadel,
    die seine Augenlider durchstach. Er rührte sich nicht, während sie sie ihm zunähten. Es überraschte ihn, daß das Versiegeln seiner Augen mit Fäden ihm weniger Schmerzen bereitete als die Stöße auf dem Thron. Zu diesem Zeitpunkt hatte er zwei erfolglose Selbstmordversuche unternommen. Das erste Mal war er unter Aufbietung aller ihm noch verbliebenen Kräfte mit dem Kopf gegen die Wand der Zelle gerannt. Er verlor die Besinnung und machte sich gerade nur das Haar blutig. Das zweite Mal war er nahe daran gewesen, es zu schaffen. Er kletterte am Gitter hoch – man hatte ihm die Handschellen abgenommen, als Vorbereitung für eine weitere Sitzung auf dem Thron – und zerbrach die Glühbirne, die das Verlies erhellte. Auf allen vieren hockend, schluckte er sämtliche Glassplitter, in der Hoffnung, eine innere Blutung würde sein Leben beenden. Aber der SIM hatte zwei Ärzte in Bereitschaft und eine kleine Unfallstation mit dem Allernötigsten, um zu verhindern, daß die Gefolterten von eigener Hand starben. Sie brachten ihn in die Krankenstube, flößten ihm eine Flüssigkeit ein, nach der er erbrechen mußte, und legten ihm eine Sonde, um ihm den Magen auszupumpen. Sie retten ihn, damit Ramfis und seine Freunde ihn weiterhin stückweise umbringen konnten.
    Als sie ihn kastrierten, war das Ende nahe. Sie schnitten ihm die Testikel nicht mit einem Messer ab, sondern mit einer Schere, während er auf dem Thron saß. Er hörte übererregtes Kichern und obszöne Kommentare von Subjekten, die nur aus Stimmen und scharfen Gerüchen nach Achselschweiß und billigem Tabak bestanden. Er tat ihnen nicht den Gefallen, zu schreien. Sie stopften ihm seine Testikel in den Mund, und er schluckte sie mit dem heftigen Verlangen, dadurch seinen Tod zu beschleunigen: nie hätte er gedacht, daß man ihn so herbeisehnen konnte. In irgendeinem Augenblick erkannte er die Stimme von Modesto Díaz, dem Bruder von General Juan Tomás Díaz, von dem es hieß, er sei ebenso intelligent wie Cerebrito Cabral oder der Flüssige Verfassungsrechtler. Hatten sie ihn in dieselbe Zelle gesteckt? Folterten sie ihn wie ihn?

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