Das Fest des Ziegenbocks
Die Stimme Modestos klang bitter:
»Wir sind hier durch deine Schuld, Pupo. Warum hast du uns verraten? Wußtest du nicht, daß dir das passieren würde? Bereue, daß du deine Freunde und dein Land verraten hast.«
Er hatte keine Kraft, irgendeinen Laut hervorzubringen oder auch nur den Mund zu öffnen. Einige Zeit danach – es konnten Stunden, Tage oder Wochen sein – hörte er einen Dialog zwi schen einem Arzt des SIM und Ramfis Trujillo: »Unmöglich, sein Leben zu verlängern, Herr General.« »Wie lange bleibt ihm noch?« Es war Ramfis, ohne den geringsten Zweifel.
»Ein paar Stunden, vielleicht ein Tag, wenn ich das Serum verdopple. Aber in dem Zustand, in dem er sich befindet, wird er keinen Stromstoß überleben. Es ist unglaublich, daß er vier Monate durchgehalten hat, Herr General.« »Dann geh ein wenig zurück, ich werde nicht zulassen, daß er eines natürlichen Todes stirbt. Stell dich hinter mich, nicht, daß dich eine Patronenhülse trifft.« Glücklich hörte General José Rene Roman die letzte Salve.
XXI
Als Doktor Marcelino Vélez Santana, der auf der Suche nach Neuigkeiten auf die Straße gegangen war, in die stickige Dachkammer des maurischen Hauses von Doktor Robert Reid Cabral zurückkehrte, in der sie sich schon seit zwei Tagen befanden, und dem nervösen Salvador Estrella Sadhalá mit einer mitleidigen Hand auf der Schulter sagte, sein Haus in der Mahatma Gandhi sei gestürmt worden und die caliés hätten seine Frau und seine Kinder mitgenommen, beschloß dieser, sich zu stellen. Ihm brach der Schweiß aus, er rang nach Luft. Was konnte er sonst tun? Zulassen, daß diese Barbaren seine Frau und seine Kinder umbrachten? Bestimmt waren sie dabei, sie zu foltern. Vor lauter Angst konnte er nicht für seine Familie beten. Und so sagte er seinen Gefährten, mit denen er das Versteck teilte, was er tun würde.
»Du weißt, was das bedeutet, Türke«, sagte Antonio de la Maza mißbilligend. »Sie werden dich in der brutalsten Weise quälen und foltern, bevor sie dich töten.« »Und sie werden deine Familie vor dir mißhandeln, damit du alle verrätst«, bekräftigte General Juan Tomás Díaz. »Keiner wird mich dazu bringen, den Mund aufzumachen, auch wenn man mich bei lebendigem Leib verbrennt«, schwor er ihnen mit Tränen in den Augen. »Ich werde nur den Schweinehund Pupo Roman verraten.« Sie baten ihn, das Versteck nicht vor ihnen zu verlassen, und Salvador erklärte sich bereit, eine Nacht länger zu bleiben. Daß seine Frau und seine Kinder, der vierzehnjährige Luis und die erst vierjährige Carmen Elly, sich in den Verliesen des SIM befanden, umgeben von sadistischen Verbrechern, ließ ihn die ganze Nacht wach liegen, keuchend, ohne zu beten, ohne an etwas anderes denken zu können. Die Reue zernagte ihm das Herz: Wie konntest du deine Familie so gefährden? Das schlechte Gewissen, das ihm zusetzte, weil er bei dem Schußwechsel Pedro Livio Cedefio getroffen hatte, trat in den Hintergrund. Armer Pedro Livio! Wo mochte er jetzt sein. Was für entsetzliche Dinge hatte man ihm wohl angetan. Am Nachmittag des 4. Juni verließ er als erster das Haus der Familie Reid Cabral. Er nahm ein Taxi an der Ecke und nannte die Adresse des Ingenieurs Feliciano Sosa Mieses, eines Cousins seiner Frau, mit dem er sich immer gut verstanden hatte, in der Galle Santiago. Er wollte nur herausfinden, ob er etwas von ihr und den Kindern und vom Rest der Familie wußte, aber so weit kam es gar nicht. Feliciano persönlich öffnete ihm die Tür, und als er ihn sah, hob er abwehrend die Hände, als stünde der Teufel vor ihm.
»Was machst du hier, Türke?« rief er wütend aus. »Weißt du nicht, daß ich eine Familie habe? Willst du, daß sie uns umbringen? Hau ab! Bei allem, was dir lieb ist, hau ab!« Er schloß die Tür vor seiner Nase mit einem Ausdruck von Angst und Abscheu, der Salvador hilflos machte. Er kehrte zum Taxi zurück, mit einer Niedergeschlagenheit, die ihm die Knochen erweichte. Trotz der Hitze war ihm eiskalt. »Du hast mich erkannt, nicht wahr?« fragte er den Fahrer, als er wieder im Auto saß.
Der Mann, der eine Baseballkappe trug, die bis zu den Augenbrauen heruntergezogen war, drehte sich nicht zu ihm um.
»Ich habe Sie erkannt, seit Sie eingestiegen sind«, sagte er sehr ruhig. »Machen Sie sich keine Sorgen, bei mir sind Sie sicher. Ich bin auch gegen Trujillo. Wenn es schnell gehen muß, sind wir eben zusammen schnell. Wohin wollen Sie?«
»Zu einer Kirche«, sagte
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