Das Fest des Ziegenbocks
in den Gürtel machen. Er war immer traurig, aber er sprach mit niemandem über den öffentlichen Brief seines Vaters, der wie ein Dolch in seinem Rücken steckte. Obwohl die Dinge nicht nach Plan gelaufen und soviel Tod und Leid über sie gekommen waren, hatte ihre Tat dazu beigetragen, die Situation zu verändern. Die Nachrichten, die bis zu den Zellen von La Victoria durchsik-kerten, sprachen von politischen Versammlungen, von jungen Leuten, die die Statuen Trujillos köpften und Schilder mit seinem Namen und denen seiner Familie abrissen, von der Rückkehr einiger Exilanten. War das nicht der Anfang vom Ende der Ära Trujillo? Nichts davon wäre möglich gewesen, wenn sie die Bestie nicht getötet hätten.
Die Rückkehr der Brüder Trujillos war eine eiskalte Dusche für die Eingeschlossenen in La Victoria. Ohne seine Freude zu verhehlen, teilte der Gefängnisdirektor, Major Américo Dante Minervino, den Inhaftierten Salvador, Modesto Díaz, Huáscar Tejeda, Pedro Livio, Fifí Pastoriza und dem jungen Tunti Cá-ceres am 17. November mit, daß sie in der Abenddämmerung in die Zellen des Justizpalastes verlegt würden, weil morgen eine weitere Rekonstruktion des Verbrechens auf der Straße stattfinden sollte. Sie legten ihr restliches Geld zusammen und ließen den Familien durch einen Wärter die dringende Nachricht zukommen, daß etwas Verdächtiges im Gang sei; die Rekonstruktion sei bestimmt eine Farce, Ramfis habe beschlossen, sie umzubringen.
Als es dunkel wurde, legte man ihnen Handschellen an und brachte alle sechs, eskortiert von drei bewaffneten Wächtern, in einem dieser schwarzen Bereitschaftswagen hinaus, die verdunkelte Fensterscheiben hatten und von den Bewohnern der Hauptstadt »Hundefänger« genannt wurden. Mit geschlossenen Augen bat Salvador Gott, sich seiner Frau und seiner Kinder anzunehmen. Entgegen ihren Befürchtungen fuhr man sie nicht zu den Klippen, dem Lieblingsplatz des Regimes für geheime Hinrichtungen. Sie kamen ins Zentrum, in die Zellen im Justizpalast auf dem Messegelände. Sie verbrachten fast die ganze Nacht stehend, denn der Raum war so eng, daß sie sich nicht alle zugleich hinsetzen konnten. Sie taten es abwechselnd, jeweils zu zweit. Pedro Livio und Fifí Pastoriza waren guter Dinge; wenn man sie hierher gebracht hatte, dann stimmte das mit der Rekonstruktion. Ihr Optimismus übertrug sich auf Tunti Cáceres und Huáscar Tejeda. Ja, ja, warum nicht; sie würden sie der Justiz übergeben, damit zivile Richter über sie urteilten. Salvador und Modesto Díaz blieben stumm und verbargen ihre Skepsis. Der Türke flüsterte seinem Freund kaum hörbar ins Ohr: »Das ist das Ende, nicht wahr, Modesto?« Der Anwalt nickte, ohne etwas zu sagen, und drückte seinen Arm.
Vor Sonnenaufgang holte man sie aus der Zelle und ließ sie abermals in den Hundefánger steigen. Um den Justizpalast waren Truppen in beeindruckender Stärke aufmarschiert, und Salvador bemerkte im Zwielicht, daß alle Soldaten die Insignien der Luftwaffe trugen. Sie stammten vom Stützpunkt San Isidro, dem Erbteil von Ramfis und Virgilio García Trujillo. Er sagte nichts, um seine Gefährten nicht zu beunruhigen. In dem engen Bereitschaftswagen versuchte er, mit Gott zu sprechen, wie er es in der Nacht getan hatte, ihn zu bitten, er möge ihm helfen, in Würde zu sterben, ohne sich durch feiges Verhalten zu entehren, aber dieses Mal konnte er sich nicht konzentrieren. Sein Scheitern machte ihm angst. Nach kurzer Fahrt bremste der Wagen. Sie befanden sich auf der Straße nach San Cristóbal. Es war der Ort des Attentats, kein Zweifel. Die Sonne vergoldete den Himmel, die Kokospalmen am Straßenrand, das Meer, das rauschte und sich an den Klippen brach. Überall waren Soldaten. Sie hatten die Landstraße abgeriegelt und den Verkehr in beide Richtungen gesperrt.
»Wozu diese Farce, das Söhnchen ist genauso ein Schmierenkomödiant wie sein Vater«, hörte er Modesto Díaz sagen.
»Warum soll das eine Farce sein«, protestierte Fifí Pastoriza. »Sei nicht so pessimistisch. Das ist eine Rekonstruktion. Die Richter sind da. Seht ihr nicht?« »Die gleichen dummen Spaße, wie sie dem Papi gefielen«, beharrte Modesto und schüttelte angewidert den Kopf. Farce oder nicht, das Ganze dauerte viele Stunden, bis die Sonne im Zentrum des Himmels stand und sich in ihre Schädel zu bohren begann. Einer nach dem anderen mußten sie vor einen kleinen, im Freien aufgestellten Feldtisch treten, an dem zwei Männer in Zivil ihnen
Weitere Kostenlose Bücher