Das Fest des Ziegenbocks
neben ihm, wie immer aufrecht trotz seiner Jahre, seinen Vater, General Piro Estrella. Als er den alten Mann erkannte, wurden Salvadors Augen naß. Aber statt getroffen zu sein beim Anblick des Wracks, in das
sich sein Sohn verwandelt hatte, wetterte der General vor Empörung:
»Ich erkenne dich nicht wieder! Du bist nicht mein Sohn! Mörder! Verräter!« Er gestikulierte, halb erstickt vor Zorn. »Weißt du nicht, was ich und du, was wir alle Trujillo verdanken? Diesen Mann hast du umgebracht? Zeig Reue, du elender Lump!«
Er mußte sich auf einen Tisch stützen, denn er war ins Taumeln geraten. Er senkte den Blick. Spielte der Alte ihm etwas vor? Wollte er auf diese Weise Ramfís für sich gewinnen, um ihn dann zu bitten, sein Leben zu schonen? Oder war die glühende Begeisterung seines Vaters für Trujillo stärker als die Liebe zu seinem Sohn? Dieser Zweifel zerriß ihn die ganze Zeit zwi schen den Foltersitzungen. Diese folgten jeden Tag, alle zwei Tage aufeinander und waren jetzt anders als zuvor von endlosen Verhören begleitet, die ihm fast den Verstand raubten, Verhöre, bei denen sie ihm tausendmal die gleichen Fragen stellten, die gleichen Einzelheiten abverlangten und ihn zu zwingen suchten, weitere Verschwörer zu verraten. Sie glaubten ihm nie, daß er niemanden kannte außer denen, die sie schon kannten, daß niemand aus seiner Familie eingeweiht war, schon gar nicht Guarionex. Weder Johnny Abbes noch Ramfís tauchten bei diesen Sitzungen auf; sie wurden von Untergebenen durchgeführt, die ihm am Ende vertraut wurden: Leutnant Clodoveo Ortiz, Rechtsanwalt Eladio Ramírez Suero, Oberst Rafael Trujillo Reynoso, der Oberleutnant der Polizei Pérez Mercado. Einige schienen ihren Spaß zu haben mit den elektrischen Stäben, mit denen sie ihm über den Körper fuhren, oder wenn sie ihm mit Gummiknüppeln auf den Schädel und auf den Rücken schlugen oder ihn mit Zigaretten verbrannten; andere schienen es widerwillig oder gelangweilt zu tun. Zu Beginn jeder Sitzung versprühte einer der halbnackten Büttel, die für die Stromstöße verantwortlich waren, Nice in der Luft, gegen den Gestank der Darmentleerungen und des angesengten Fleisches.
Eines Tages, was für ein Tag mochte es sein?, brachten sie Fifí Pastoriza, Huáscar Tejeda, Modesto Díaz, Pedro Livio Cedeno
und Tunti Cáceres, den kleinen Neffen von Antonio de la Maza, zu ihm in die Zelle; dieser hatte ursprünglich den Wagen fahren sollen, den am Ende Tony Imbert lenkte. Sie waren nackt und mit Handschellen gefesselt wie er. Sie waren die ganze Zeit da gewesen, in El Nueve, in anderen Zellen, und der gleichen Behandlung mit Stromstößen, Peitschenhieben, Verbrennungen und Nadeln in den Ohren und unter den Fingernägeln unterworfen worden. Und endlosen Verhören.
Von ihnen erfuhr er, daß Imbert und Luis Amiama verschwunden waren und daß Ramfis in seiner Verzweiflung, sie zu finden, jetzt eine halbe Million Pesos für Hinweise bot, die zu ihrer Festnahme führten. Von ihnen erfuhr er auch, daß Antonio de la Maza, General Juan Tomás Díaz und Amadito im Kampf gestorben waren. Anders als er, den man isoliert gehalten hatte, konnten sie mit den Wärtern sprechen und erfahren, was in der Außenwelt geschah. Huáscar Tejeda wußte durch einen seiner Folterer, mit dem er sich gut gestellt hatte, von dem Dialog zwischen Ramfis Trujillo und dem Vater von Antonio de la Maza. Der Sohn des Generalissimus war zu Don Vicente de la Maza in die Zelle gegangen, um ihn zu informieren, daß sein Sohn tot sei. Der alte Caudillo aus Moca fragte, ohne daß ihm die Stimme zitterte: »Ist er im Kampf gestorben?« Ramfis nickte. Don Vicente de la Maza bekreuzigte sich: »Ich danke dir, Herr.«
Es tat ihm gut, zu sehen, daß Pedro Livio Cedeno sich von seinen Verletzungen erholt hatte. Der Neger trug es ihm nicht nach, daß er in den Wirren jener Nacht auf ihn geschossen hatte. »Was ich euch nicht verzeihe, ist, daß ihr mir nicht den Gnadenschuß verpaßt habt«, scherzte er. »Weshalb habt ihr mein Leben gerettet? Dafür? Idioten!« Die bittere Wut aller auf Pupo Roman war sehr groß, aber niemand freute sich, als Modesto Díaz erzählte, er habe von seiner Zelle im Oberstock desselben Gebäudes gesehen, wie Pupo, nackt und mit Handschellen gefesselt, mit zugenähten Augenlidern von vier Schergen zur Folterkammer geschleift wurde. Modesto Díaz war nicht einmal mehr der Schatten des eleganten, intelligenten Politikers, der er sein Lebtag lang gewesen war; er
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