Das Fest des Ziegenbocks
sog. Die Sache, in die Tavito sich 1956 verwickelt sah, war in seinen Augen von Anfang an verdächtig gewesen. Sein Bruder erzählte ihm davon, denn Tavito erzählte ihm alles. Sogar diese Geschichte, die nach einer dieser undurchsichtigen Operationen aussah, an denen die dominikanische Geschichte seit Trujillos Aufstieg zur Macht so reich war. Aber anstatt sich zu beunruhigen, auf der Hut zu sein, vor der ihm aufgetragenen Mission zu erschrecken – sie bestand darin, in Montecristi mit einer kleinen Cessna ohne Kennzeichen eine vermummte, unter Medikamenten stehende Person abzuholen, die einem aus den Vereinigten Staaten gekommenen Flugzeug entstieg, und sie zur Hacienda Fundación in San Cristóbal zu bringen – , nahm der Dummkopf Tavito die Sache mit Begeisterung, als Zeichen des Vertrauens, das der Generalissimus in ihn setzte. Nicht einmal dann, als die Presse der Vereinigten Staaten sich empörte und das Weiße Haus Druck auszuüben begann, damit die dominikanische Regierung die Nachforschungen über die Entführung des spanisch-baskischen Professors Jesus de Galíndez aus New York erleichterte, zeigte Tavito die geringste Besorgnis.
»Die Sache mit Galíndez sieht ziemlich ernst aus«, warnte ihn Antonio. »Er war der Typ, den du von Montecristi auf Trujillos Hazienda gebracht hast, wer sonst sollte das gewesen sein. Sie haben ihn in New York entführt und hierhergebracht. Halt den Mund. Vergiß das alles. Du setzt dein Leben aufs Spiel, Bruderherz.«
Mittlerweile hatte Antonio eine Vorstellung von dem, was mit Jesus de Galíndez geschehen sein mußte, einem der spanischen Republikaner, denen Trujillo in einer dieser widersprüchlichen politischen Operationen, die seine Spezialität waren, am Ende des Bürgerkriegs Asyl in der Dominikanischen Republik gewährt hatte. Er kannte diesen Professor nicht, wohl aber zahlreiche Freunde von ihm, und von ihnen erfuhr er, daß er im Arbeitsministerium und in der zum Außenministerium gehörenden Diplomatenschule für die Regierung gearbeitet hatte. 1946 verließ er Ciudad Trujillo, ließ sich in New York nieder und begann von dort aus, die dominikanischen Exilanten zu unterstützen und gegen das Trujillo-Regime zu schreiben, das er von innen kannte.
Im März 1956 verschwand Jesus de Galíndez, der die nordamerikanische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, nachdem er zum letzten Mal beim Verlassen einer U-BahnStation auf dem Broadway, im Herzen von Manhattan, gesehen worden war. Seit ein paar Wochen wurde das Erscheinen eines Buches von ihm über Trujillo angekündigt, das er in der Columbia University, an der er unterrichtete, als Doktorarbeit vorgelegt hatte. Das Verschwinden eines obskuren spanischen Exilanten in einer Stadt und einem Land, in dem so viele Leute verschwanden, wäre unbemerkt geblieben und niemand hätte den Aufruhr beachtet, den die dominikanischen Exilanten aus Anlaß des Verschwindens veranstalteten, wenn Galíndez nicht nordamerikanischer Staatsbürger und, vor allem, Mitarbeiter des CIA gewesen wäre, wie bei Ausbruch des Skandals bekannt wurde. Der mächtige Apparat aus Journalisten, Kongreßmitgliedern, Lobbyisten, Anwälten und Unternehmern, über den Trujillo in den Vereinigten Staaten gebot, vermochte nichts gegen das Protestgeschrei, das die Presse, angefangen bei der New York, Times, sowie viele Kongreßmitglieder angesichts der Möglichkeit erhoben, daß ein kleiner karibischer Diktator sich erlaubt hatte, einen nordamerikanischen Bürger auf dem Gebiet der Vereinigten Staaten zu entführen und zu ermorden. In den Wochen und Monaten, die auf das Verschwinden von Galíndez folgten – der Leichnam wurde nie gefunden – , ergab sich aus den Ermittlungen der Presse und des FBI eindeutig die alleinige Verantwortung des Trujillo-Regimes. Kurz vor dem Geschehen war General Espaillat, Navajita, der Chef des Geheimdienstes, zum dominikanischen Konsul in New York ernannt worden. Der FBI kam kompromittierenden Nachforschungen auf die Spur, die Minerva Bernhardino, eine dominikanische UNO-Beamtin und Vertrauensfrau Trujillos, über Galíndez angestellt hatte. Gravierender noch, der FBI identifizierte ein kleines Flugzeug mit gefälschtem Kennzeichen, das, von einem Piloten ohne den vorgeschriebenen Transportschein gesteuert, am Abend der Entführung illegal von einem kleinen Flughafen auf Long Island in Richtung Florida gestartet war. Der Pilot war ein gewisser Murphy und befand sich seit jenem Tag in der Dominikanischen Republik, wo er bei
Weitere Kostenlose Bücher