Das Fest des Ziegenbocks
Generalissimus spürte eine Leere im Magen. Es war nicht der Zorn, der seine Magensäure vermehrte, sondern Enttäuschung. Nie in seinem langen Leben hatte er Zeit damit verloren, sich die Wunden zu lecken, aber was in den Vereinigten Staaten geschah, dem Land, dem seine Regierung in der UNO immer die Stimme gegeben hatte, für was auch immer, empörte ihn. Was hatte es genützt, jeden Yankee, der seinen Fuß auf diese Insel gesetzt hatte, wie einen Fürsten zu empfangen und mit Ehrenzeichen zu bedenken?
»Es ist schwer, die Gringos zu verstehen«, murmelte er. »Es will mir nicht in den Kopf, daß sie sich mir gegenüber so verhalten.«
»Ich habe diesen Flegeln immer mißtraut«, echote der Lebende Dreck. »Sie sind alle gleich. Man kann nicht einmal sagen, daß wir diese Hetze nur Eisenhower zu verdanken haben. Kennedy setzt uns genauso zu.« Trujillo faßte sich – »An die Arbeit, verdammt« – und wechselte abermals das Thema.
»Abbes García hat alles vorbereitet, um diesen dämlichen Bischof Reilly aus seinem Versteck unter den Röcken der Nonnen zu holen«, sagte er. »Er hat zwei Vorschläge. Ihn zu deportieren oder vom Volk lynchen zu lassen, zur Abschrekkung für konspirierende Geistliche. Welcher gefällt dir besser?«
»Keiner, Chef.« Der Senator Chirinos gewann seine Sicherheit zurück. »Sie kennen meine Meinung. Man muß diesem Konflikt die Spitze nehmen. Die Kirche mit ihren zweitausend Jahren auf dem Buckel hat noch keiner besiegt. Sie sehen ja, was Perón passiert ist, weil er sich mit ihr angelegt hat.«
»Das hat er selbst mir gesagt, auf dem gleichen Stuhl, auf dem du jetzt sitzt«, räumte Trujillo ein. »Ist das dein Rat? Daß ich vor diesen Scheißkerlen die Hosen runterlasse?« »Daß Sie sie mit Pfründen korrumpieren, Chef«, erklärte der Flüssige Verfassungsrechtler. »Oder ihnen allenfalls Angst einjagen, aber nichts tun, was irreparabel wäre, sondern die Türen
für die Versöhnung offenlassen. Der Plan von Johnny Abbes wäre Selbstmord, Kennedy würde uns sofort die marines auf den Hals schicken. Das ist meine Meinung. Sie werden die Entscheidung treffen, und es wird die richtige sein. Ich werde sie mit Wort und Feder verteidigen. Wie immer.«
Das dichterische Pathos, zu dem der Lebende Dreck neigte, amüsierte den Wohltäter. Jetzt half es ihm, die Mutlosigkeit abzuschütteln, die ihn zu erfassen begann. »Ich weiß«, sagte er lächelnd. »Du bist loyal, und deshalb schätze ich dich. Sag mal, im Vertrauen: Wieviel hast du im Ausland, für den Fall, daß du über Nacht von hier verschwinden mußt?«
Der Senator fuhr zum dritten Mal hoch, als säße er auf einem Rodeosattel.
»Sehr wenig, Chef. Na ja, relativ gesehen, meine ich.« »Wieviel«, insistierte Trujillo freundlich. »Und wo?« »Um die vierhunderttausend Dollar«, gestand er rasch mit leiser Stimme. »Auf zwei getrennten Konten. In Panama. Natürlich vor den Sanktionen eröffnet.« »Ein Dreck«, sagte Trujillo tadelnd. »Bei den Ämtern, die du gehabt hast, hättest du mehr sparen können.« »Ich bin nicht sparsam, Chef. Außerdem, das wissen Sie, hat Geld mich nie interessiert. Ich habe immer das Nötige zum Leben gehabt.« »Zum Trinken, willst du wohl sagen.«
»Um mich gut zu kleiden, gut zu essen, gut zu trinken und mir die Bücher zu kaufen, die mir gefallen«, nickte der Senator, während er die Kassettendecke und den Kristallüster des Amtszimmers betrachtete. »An Ihrer Seite habe ich, Gott sei es gedankt, immer interessante Aufgaben gehabt. Soll ich dieses Geld repatriieren? Ich werde es noch heute tun, wenn Sie es mir befehlen.« »Laß es da. Wenn ich in meinem Exil einmal Hilfe brauche, wirst du mir was zukommen lassen.«
Er lachte gutgelaunt. Aber während er lachte, kehrte plötzlich die Erinnerung an das verschreckte Mädchen im Mahagonihaus zurück, an die unbequeme, anklagende Zeugin, und verdarb ihm die Laune. Es wäre besser gewesen, ihr einen Schuß zu verpassen, sie den Wächtern zu schenken, damit sie um sie losen oder sie sich teilen konnten. Die Erinnerung an dieses dumme Gesicht, das ihn leiden sah, traf ihn tief in seiner Seele. »Wer hat am besten vorgesorgt?« sagte er, seine Verwirrung beherrschend. »Wer hat das meiste Geld ins Ausland geschafft? Paíno Pichardo? Älvarez Pina? Cerebrito Cabral? Modesto Díaz? Balaguer? Wer hat am meisten zusammengerafft? Denn keiner von euch hat mir geglaubt, daß ich dies hier nur mit den Füßen voran verlasse.«
»Ich weiß es nicht,
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