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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Chef. Aber, wenn Sie gestatten, ich zweifle daran, daß einer von ihnen viel Geld draußen hat. Aus einem sehr einfachen Grund. Niemand hat je gedacht, daß das Regime ein Ende haben könnte, daß wir uns genötigt sehen könnten, das Land zu verlassen. Wer würde denken, daß die Erde eines Tages aufhören könnte, um die Sonne zu kreisen?«
    »Du«, erwiderte Trujillo spöttisch. »Deshalb hast du deine Pesitos nach Panama gebracht, weil du dir ausgerechnet hast, daß ich nicht von Ewigkeit bin, daß irgendeine Verschwörung siegreich sein könnte. Du hast dich verraten, Idiot.«
    »Ich werde noch heute nachmittag meine Ersparnisse repatriieren«, protestierte Chirinos gestikulierend. »Ich werde Ihnen die Formulare der Zentralbank über den Deviseneingang zeigen. Diese Ersparnisse befinden sich seit geraumer Zeit in Panama. Die diplomatischen Missionen haben mir erlaubt, etwas beiseite zu legen. Um auf den Reisen, die ich in Ihrem Auftrag unternehme, über Devisen zu verfügen. Nie habe ich bei den Repräsentationskosten das Maß überschritten.« »Du hast Angst bekommen, du denkst, dir könnte das gleiche passieren wie Cerebrito.« Trujillo lächelte noch immer. »Es ist ein Scherz. Ich hab das Geheimnis schon vergessen, das du mir anvertraut hast. Na, komm schon, erzähl mir ein bißchen Klatsch, bevor du gehst. Bettgeschichten, nichts Politisches.«
    Der Lebende Dreck lächelte erleichtert. Aber kaum hatte er zu erzählen begonnen, daß in diesem Augenblick in Ciudad Trujillo alle Welt von der Tracht Prügel redete, die der deutsche Konsul seiner Frau verabreicht hatte, weil er glaubte, sie betrüge ihn, ließ der Wohltäter seine Gedanken schweifen. Wieviel Geld mochten seine engsten Mitarbeiter außer Landes geschafft haben? Wenn der Flüssige Verfassungsrechtler es getan hatte, hatten es alle getan. Waren es wirklich nur vierhunderttausend Dollar, die er in Sicherheit gebracht hatte? Bestimmt war es mehr. Alle hatten sie im schäbigsten Winkel ihrer Seele in der Angst gelebt, daß Regime könnte zusammenbrechen. Bah, Dreckskerle. Loyalität war keine dominikanische Tugend. Er wußte das. Dreißig Jahre lang hatten sie ihm geschmeichelt, applaudiert, ihn vergöttert, aber sobald der Wind drehte, würden sie die Messer zücken. »Wer hat den Slogan der Dominikanischen Partei mit den Initialen meines Namens erfunden?« fragte er unvermittelt. »Rechtschaffenheit, Leistung, Treue, Moral. Du oder Cerebrito?«
    »Meine Wenigkeit, Chef«, rief der Senator Chirinos stolz. »Beim zehnten Jahrestag. Er hat eingeschlagen, zwanzig Jahre später ist er auf allen Straßen und Plätzen des Landes. Und in der übergroßen Mehrheit der Häuser.« »Er müßte in das Gewissen und in die Erinnerung der Dominikaner eingebrannt sein«, sagte Trujillo. »In diesen vier Worten liegt alles, was ich ihnen gegeben habe.« Und in diesem Augenblick, wie ein Hieb auf den Kopf, überfiel ihn der Zweifel. Die Gewißheit. Es war geschehen. Ohne sich etwas anmerken zu lassen, ohne die Lobeshymnen auf die Ära zu hören, die Chirinos anstimmte, senkte er den Kopf, als wollte er sich auf einen Gedanken konzentrieren, schärfte den Blick und spähte beklommen. Seine Knochen gaben nach. Da war er: der dunkle Fleck breitete sich auf dem Hosenschlitz aus und bedeckte ein Stück des rechten Beins. Er mußte noch frisch sein, er war noch ein wenig feucht, in eben diesem Augenblick entleerte sich die gefühllose Blase. Er fühlte es nicht, er konnte es nicht fühlen. Wut wallte in ihm hoch. Er konnte die Menschen beherrschen, drei Millionen Dominikaner in die Knie zwingen, aber seine Schließmuskeln kontrollieren konnte er nicht. »Ich habe keine Zeit für mehr Klatschgeschichten«, sagte er bedauernd, ohne den Blick zu heben. »Geh und regel das mit Lloyd’s, damit sie dieses Geld nicht an Ramfis überweisen. Morgen zur gleichen Stunde. Adiós.« »Adiós, Chef. Wenn Sie erlauben, werde ich Sie heute abend sehen, auf der Avenida.«
    Kaum hatte er gehört, daß der Flüssige Verfassungsrechtler die Tür geschlossen hatte, rief er Sinforoso. Er orderte einen neuen Anzug, ebenfalls grau, und neue Unterwäsche. Er stand auf, tat ein paar rasche Schritte, stieß gegen ein Sofa und schloß sich im Bad ein. Ihm war übel vor Ekel. Er zog die Hose, die Unterhose und das Unterhemd aus, die von der unfreiwilligen Blasenentleerung befleckt waren. Das Oberhemd war nicht befleckt, aber er zog es ebenfalls aus und setzte sich auf das Bidet. Er seifte sich

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