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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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der ihm bei der Armee als Ordonnanz gedient hatte, zum Butler befördert und mit in den Palast genommen. Von Sinforoso hatte er nichts zu befürchten. Er war stumm, taub und blind für alles, was Trujillo betraf, und mit genügend Spürsinn ausgestattet, um zu wissen, daß der geringste Vertrauensbruch in bezug auf gewisse intime Dinge wie die unfreiwilligen Blasenentleerungen ihm alles rauben würde, was er besaß – ein Haus, ein kleines Landgut mit Vieh, ein Auto, eine vielköpfige Familie – , und vielleicht sogar das Leben. Der Anzug und die Unterwäsche steckten in einer Hülle und würden niemandes Aufmerksamkeit erregen; der Wohltäter pflegte mehrmals am Tag in seinem Amtszimmer die Kleidung zu wechseln.
    Er kleidete sich an, während Sinforoso – von kräftiger Statur, das Haar kurzgeschoren, tadellos sauber in seiner Uniform mit schwarzer Hose, weißem Hemd und weißer Weste mit
    goldenen Knöpfen – die auf dem Boden verstreuten Kleidungsstücke aufsammelte.
    »Was soll ich mit diesen beiden Terroristenbischöfen tun, Sinforoso?« fragte er ihn, während er sich die Hose zuknöpfte. »Sie des Landes verweisen? Sie ins Gefängnis werfen?«
    »Sie töten, Chef«, antwortete Sinforoso, ohne zu zögern. »Die Leute hassen sie, und wenn Sie es nicht tun, wird das Volk es tun. Niemand verzeiht diesem Yankee und diesem Spanier, daß sie hier ins Land gekommen sind, um die Hand zu beißen, aus der sie gegessen haben.« Der Generalissimus hörte ihm schon nicht mehr zu. Er würde Pupo Roman zur Rede stellen müssen. Heute morgen, nachdem er Johnny Abbes und den Außen- und den Innenmi nister empfangen hatte, war er zum Luftstützpunkt San Isidro gefahren, um sich mit den Befehlshabern der Luftwaffe zu treffen. Und bei der Abfahrt hatte er sich mit einem Anblick konfrontiert gesehen, der ihm die Eingeweide umdrehte: Direkt am Eingang, wenige Meter vom Wachposten entfernt, unter der Fahne und dem Wappen der Republik, sprudelte aus einem Rohr schwärzliches Wasser, das neben der Straße einen schlammigen Pfuhl hatte entstehen lassen. Er ließ den Wagen anhalten. Er stieg aus und trat näher. Es war Abwasser, zähflüssig und stinkend – er mußte sich die Nase mit dem Taschentuch zuhalten –, und hatte natürlich einen Schwärm Fliegen und Mücken angelockt. Das Wasser breitete sich aus, überflutete die Umgebung, verpestete die Luft und den Boden der Ersten dominikanischen Garnison. Er fühlte Wut, eine glühende Lava, die in seinem Innern hochkochte. Er zügelte seinen ersten Impuls, in den Stützpunkt zurückzukehren, die anwesenden Befehlshaber mit Flüchen zu überschütten und sie zu fragen, ob dies das Bild sei, das sie von den Streitkräften vermitteln wollten: eine Institution, die in fauligen Wassern und Ungeziefer versinkt. Aber dann beschloß er sofort, daß man den Tadel an die Spitze tragen, Pupo Roman persönlich ein bißchen von der flüssigen Scheiße schlucken lassen mußte, die aus diesem Abwasserrohr sprudelte. Er beschloß, ihn sofort anzurufen. Aber zurück in seinem Amtszimmer, vergaß er es. Begann ihn sein Gedächtnis genauso im Stich zu lassen wie sein Schließmuskel? Scheiße. Die beiden Dinge, auf die er sich in seinem Leben am meisten hatte verlassen können, gerieten ihm jetzt mit seinen siebzig Jahren außer Kontrolle.
    Wieder angekleidet und zurechtgemacht, kehrte er an seinen Schreibtisch zurück und hob den Hörer des Telefons ab, das ihn automatisch mit dem Kommando der Streitkräfte verband. Es dauerte nicht lange, bis er General Roman hörte: »Ja, hallo? Sind Sie es, Exzellenz?«
    »Komm heute abend zur Avenida«, sagte er barsch, statt einer Begrüßung.
    »Natürlich, Chef.« Die Stimme von General Roman klang beunruhigt. »Ist es Ihnen nicht lieber, wenn ich jetzt gleich zum Palast komme? Ist etwas passiert?« »Du wirst schon erfahren, was passiert ist«, sagte er langsam und stellte sich dabei vor, wie nervös der Ehemann seiner Nichte Mireya bei seinen rüden Worten wurde. »Gibt es was Neues?«
    »Alles normal, Exzellenz«, antwortete General Roman überstürzt. »Ich erhielt gerade den Routinebericht der Regionen. Aber, wenn es Ihnen lieber ist…« »Auf der Avenida«, unterbrach er ihn. Und legte auf. Ihn erheiterte die Vorstellung, welches Feuerwerk an Fragen, Vermutungen, Befürchtungen, Ahnungen er im Kopf dieses Idioten angezündet hatte, der Minister der Streitkräfte war. Was hat man dem Chef über mich erzählt? Was für Klatsch, was für Verleumdungen

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