Das Fest des Ziegenbocks
dich schön langsam schmoren wird, bevor er dich den Haien vorwirft. So Sachen, die der hitzigen Phantasie des Chefs des SIM und seiner kleinen Mannschaft gefallen. Deshalb bestiehlst du mich nicht. Deshalb bestehlen mich auch nicht die Geschäftsführer, Verwalter, Buchhalter, Ingenieure, Veterinäre, Vorarbeiter usw. usw. in den Unternehmen, die du überwachst. Deshalb arbeiten sie pünktlich und effizient, und deshalb waren die Unternehmen erfolgreich und haben sich vermehrt und die Dominikanische Republik in ein modernes, blühendes Land verwandelt. Hast du es begriffen?«
»Natürlich, Chef.« Der Flüssige Verfassungsrechtler fuhr wieder hoch. »Sie haben völlig recht.« »Aber«, fuhr Trujillo fort, als habe er ihn nicht gehört, »du würdest stehlen, was das Zeug hält, wenn du die Arbeit, die du für die Familie Trujillo machst, für die Vicini, die Valdez oder die Armenteros machen würdest. Und noch viel mehr, wenn die Unternehmen dem Staat gehören würden. Da würdest du dir wirklich die Taschen füllen. Versteht dein Hirn jetzt, wozu diese ganzen Geschäfte, der ganze Grundbesitz und der ganze Viehbestand gut sind?« »Um dem Land zu dienen, das weiß ich nur zu gut, Exzellenz«, beteuerte der Senator Chirinos. Er war nervös, Trujillo konnte es an der Heftigkeit erkennen, mit der er den Dokumentenkoffer gegen seinen Bauch preßte, und an der immer salbungsvolleren Art, mit der er sprach. »Ich wollte nichts Gegenteiliges andeuten, Chef. Gott bewahre!« »Aber es stimmt, nicht alle Trujillos sind wie ich«, sagte der Wohltäter einlenkend und verzog resigniert sein Gesicht. »Weder meine Brüder noch meine Frau oder meine Kinder haben für dieses Land die gleiche Leidenschaft wie ich. Sie sind habgierig. Das schlimmste ist, daß sie mir in diesem Augenblick die Zeit stehlen, weil ich dafür sorgen muß, daß sie meine Befehle nicht unterlaufen.« Er betrachtete ihn mit dem kriegerischen, direkten Blick, mit dem er die Leute einschüchterte. Der Lebende Dreck sank auf seinem Stuhl zusammen.
»Aha, ich seh schon, einer hat nicht gehorcht«, murmelte er.
Der Senator Chirinos nickte, ohne eine Antwort zu wagen. »Haben sie schon wieder versucht, Devisen rauszuschaffen?« fragte er mit erkalteter Stimme. »Wer? Die Alte?«
Das schwammige, mit Schweißperlen bedeckte Gesicht nickte erneut, fast widerstrebend.
»Sie hat mich gestern abend, während der Dichterlesung, beiseite genommen.« Er zögerte, und seine Stimme wurde immer dünner, bis sie fast erlosch. »Sie sagte, sie würde an Sie denken, nicht an sich oder ihre Kinder. Um Ihnen ein ruhiges Alter zu sichern, falls etwas passiert. Ich bin sicher, daß es stimmt, Chef. Sie liebt Sie abgöttisch.« »Was wollte sie?«
»Eine weitere Überweisung in die Schweiz.« Der Senator verschluckte sich. »Nur eine Million dieses Mal.« »Ich hoffe zu deinem Wohl, du hast ihr den Gefallen nicht getan«, sagte Trujillo unwirsch.
»Ich habe es nicht getan«, stotterte Chirinos; vor lauter Unbehagen hatte er Mühe zu artikulieren, während sein Körper von einem leichten Zittern erfaßt worden war. »Weil nur einer das Sagen hat. Und weil bei aller Achtung und Verehrung, die
ich für Doña Maria empfinde, meine Loyalität zuallerst Ihnen gilt. Diese Situation ist sehr heikel für mich, Chef. Wegen dieser Weigerungen verliere ich allmählich die Freundschaft von Doña Maria. Schon zum zweiten Mal in einer Woche habe ich ihr verweigert, worum sie mich bittet.«
Fürchtete auch die Vortreffliche Dame den Zusammenbruch des Regimes? Vor vier Monaten hatte sie von Chirinos die Überweisung von fünf Millionen Dollar in die Schweiz gefordert; jetzt von einer. Sie glaubte, daß sie jeden Augenblick gezwungen wären, die Flucht zu ergreifen, daß die Konten im Ausland gut gefüllt sein mußten, damit sie in den Genuß eines goldenen Exils kämen. Wie Pérez Jiménez, Batista, Rojas Pinilla oder Perón, diese Lumpen. Alter Raffzahn. Als wäre ihre Zukunft nicht mehr als gesichert. Nie hatte sie genug. Sie war schon in jungen Jahren habgierig gewesen und es mit den Jahren immer mehr geworden. Wollte sie diese Konten mit ins Jenseits nehmen? Nur in diesem Punkt hatte sie immer die Autorität ihres Ehemanns herauszufordern gewagt. Zweimal in dieser Woche. Sie intrigierte hinter seinem Rücken, nicht mehr und nicht weniger. So hatte sie ohne sein Wissen dieses Haus in Spanien gekauft, nach dem offiziellen Besuch, den sie Franco 1954 abstatteten. So hatte sie
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