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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Zärtlichkeit anschaute, mit der ein Bettler seinen räudigen Hund anschaut: »Wollte Gott, daß einer meiner Brüder oder Söhne soviel taugte wie du,
    Henry.«
    Der Senator, fassungslos, brachte nicht sofort eine Antwort zustande.
    »Was Sie gesagt haben, entschädigt mich für alle Sorgen«, stammelte er mit gesenktem Kopf.
    »Du kannst von Glück sagen, daß du nicht geheiratet hast, daß du keine Familie hast«, fuhr Trujillo fort. »Bestimmt hast du oft gedacht, daß es ein Unglück ist, keine Nachkommen zu hinterlassen. Blödsinn! Der Irrtum meines Lebens ist meine Familie gewesen. Meine Brüder, meine eigene Frau, meine Kinder. Hast du jemals derartige Plagen gekannt? Ein Horizont, der nicht weiter reicht als Alkohol, Geld und Weiber. Gibt es einen einzigen, der imstande ist, mein Werk fortzuführen? Ist es nicht eine Schande, daß Ramfis und Radhamés in diesem Augenblick in Paris Polo spielen, statt hier an meiner Seite zu sein?« Chirinos hörte mit gesenktem Blick zu, reglos, mit ernstem, mitfühlendem Gesichtsausdruck, ohne ein Wort zu sagen, zweifellos voll Furcht, seine Zukunft aufs Spiel zu setzen, wenn ihm eine Äußerung gegen die Söhne und Brüder des Chefs entschlüpfte. Es war seltsam, daß dieser sich so bitteren Betrachtungen überließ; nie sprach er von seiner Familie, nicht einmal gegenüber engen Vertrauten, und schon gar nicht mit so harten Worten. »Der Befehl bleibt bestehen«, sagte er, Ton und Thema wechselnd. »Niemand, schon gar nicht ein Trujillo, schafft Geld außer Landes, solange die Sanktionen dauern.« »Verstanden, Chef. In Wahrheit könnten sie nicht, auch wenn sie wollten. Es sei denn, sie nehmen ihre Dollar in Koffern mit, es gibt keine Transaktionen mit dem Ausland. Der Zahlungsverkehr ist an einem toten Punkt. Der Tourismus ist verschwunden. Die Reserven werden jeden Tag weniger. Sind Sie strikt dagegen, daß der Staat einige Unternehmen übernimmt? Nicht einmal die, denen es am schlechtesten geht?«
    »Wir werden sehen«, sagte Trujillo einlenkend. »Laß mir deinen Vorschlag da, ich werde ihn mir ansehen. Was gibt es noch Dringendes?«
    Der Senator konsultierte sein Notizbuch, das er sich nah vor die Augen hielt. Er nahm einen tragikomischen Ausdruck an.
    »In den Vereinigten Staaten herrscht eine paradoxe Situation. Was machen wir mit den angeblichen Freunden? Den Kongreß
    mitgliedern, den Politikern, den Lobbyisten, die Zahlungen erhalten, um unser Land zu verteidigen. Manuel Alfonso hat sie ihnen zukommen lassen, bis er krank wurde. Seitdem sind sie ausgesetzt. Einige haben diskret reklamiert.«
    »Wer hat gesagt, sie sollen ausgesetzt werden?« »Niemand, Chef. Es ist eine Frage. Die Mittel in Form von Devisen, die in New York zu diesem Zweck bereitstehen, erschöpfen sich ebenfalls. Sie konnten nicht aufgefüllt werden angesichts der Umstände. Es handelt sich um mehrere Millionen Pesos im Monat. Werden Sie weiter so großzügig sein zu diesen Gringos, die unfähig sind, uns bei der Aufhebung der Sanktionen zu helfen?« »Blutsauger, das habe ich immer gewußt.« Der Generalissimus machte eine verächtliche Geste. »Aber auch unsere einzige Hoffnung. Wenn sich die politische Situation in den Vereinigten Staaten verändert, können sie ihren Einfluß dahingehend geltend machen, daß die Sanktionen aufgehoben oder abgeschwächt werden. Und für’s erste erreichen, daß Washington uns zumindest den Zucker bezahlt, den es schon bekommen hat.« Chirinos wirkte nicht hoffnungsvoll. Er schüttelte düster den Kopf.
    »Selbst wenn die Vereinigten Staaten bereit wären, zu zahlen, was sie einbehalten haben, würde das wenig nützen, Chef. Was sind zweiundzwanzig Millionen Dollar? Devisen für grundlegende Zulieferprodukte und lebensnotwendige Importe nur für wenige Wochen. Aber wenn Sie es so beschlossen haben, werde ich die Konsuln Mercado und Morales anweisen, die Zahlungen an diese Schmarotzer zu erneuern. A propos, Chef. Die Mittel in New York könnten eingefroren werden. Falls die drei Mitglieder der Demokratischen Partei mit ihrem Vorschlag durchkommen, die Konten von Dominikanern einzufrieren, die nicht in den Vereinigten Staaten wohnhaft sind. Ich weiß sehr wohl, daß die Konten bei der Chase Manhattan und bei der Chemical auf Aktiengesellschaften eingerichtet sind. Aber wenn diese Banken sich nun nicht an das Bankgeheimnis halten? Ich erlaube mir, Ihnen vorzuschlagen, sie in ein sichereres Land zu transferieren. Kanada zum Beispiel oder die Schweiz.« Der

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