Das Fest des Ziegenbocks
sie den Generalissimus und ihren Ehemann anschaute, als entginge ihr keine Silbe des Gesagten. Man hatte sie zwischen den Marionettenpräsidenten Joaquín Balaguer und den Minister der Streitkräfte, General JoséRene Roman, plaziert. Sie war eine kleine, zerbrechliche, aufrechte alte Frau, verjüngt durch das sommerliche Kleid in Rosatönen. Während des Festakts, als der Generalissimus sagte, das dominikanische Volk werde niemals die Solidarität vergessen, die das Ehepaar Gittleman ihm in den schwierigen Momenten bewiesen habe, da so viele Regierungen ihm in den Rücken fielen, hatte auch sie ein paar Tränen vergossen.
»Ich wußte, was vor sich ging«, erklärte Trujillo. »Aber ich wollte es nachprüfen, um jeden Zweifel auszuräumen. Nicht einmal nach dem Bericht des Flüssigen Verfassungsrechtlers und Cerebritos, die ich ausgeschickt hatte, um das Terrain zu sondieren, habe ich eine Entscheidung getroffen. Ich beschloß, mich selbst zur Grenze zu begeben. Ich bin sie abgeritten, begleitet von Freiwilligen der Universitätsgarde. Ich konnte es mit eigenen Augen sehen: Sie waren erneut bei uns eingefallen, wie im Jahr 1822. Dieses Mal auf friedliche Weise. Durfte ich zulassen, daß die Haitianer weitere zweiundzwanzig Jahre in meinem Land blieben?« »Kein Patriot hätte es zugelassen«, rief der Senator Henry Chirinos aus und hob sein Glas. »Schon gar nicht der Generalissimus Trujillo. Trinken wir auf Seine Exzellenz!« Trujillo fuhr fort, als hätte er nicht gehört: »Konnte ich zulassen, daß die Neger die Dominikaner wie in diesen zweiundzwanzig Jahren Besetzung ermordeten, vergewaltigten und sogar in den Kirchen abschlachteten?« Der Flüssige Verfassungsrechtler schnaufte auf seinen fehlgeschlagenen Trinkspruch hin, nahm einen Schluck Wein und widmete sich dem Zuhören. »Während ich mit der Universitätsgarde, der Blüte der Jugend, an der Grenze entlangritt, richtete ich meinen Blick in die Vergangenheit«, fuhr der Generalissimus mit wachsender Emphase fort. »Ich dachte an das Morden in der Kirche von Moca. An den Brand von Santiago. An den Marsch von Dessalines und Cristóbal nach Haiti, mit neunhundert angesehenen Bürgern von Moca, die auf dem Weg starben oder als Sklaven unter den haitianischen Militärs verteilt wurden.«
»Wir haben den Bericht nun schon vor mehr als zwei Wochen vorgelegt, und der Chef unternimmt nichts«, sagte der junge Abgeordnete Chirinos besorgt. »Wird er irgendeine Entscheidung treffen, Cerebrito?«
»Ich werde ihm diese Frage nicht stellen«, antwortete Agustín Cabral. »Der Chef wird handeln. Er weiß, daß die Situation ernst ist.«
Beide hatten Trujillo auf dem Ritt entlang der Grenze begleitet, gemeinsam mit etwa hundert Freiwilligen der Universitätsgarde, und waren gerade in der Stadt Dajabón angekommen, mehr außer Atem als ihre Tiere. Trotz ihres jugendlichen Alters hätten beide es vorgezogen, ihre vom Ritt zerschlagenen Knochen auszuruhen, aber Seine Exzellenz gab einen Empfang für die Gesellschaft von Dajabón, und es wäre ihnen nie
eingefallen, ihn vor den Kopf zu stoßen. Da standen sie also, halb erstickt vor Hitze in ihren Hemden mit steifem Kragen und ihren Cuts, im festlich geschmückten Rathaus, wo Trujillo, frisch, als hätte er nicht seit dem Morgengrauen auf dem Pferd gesessen, in einer tadellosen blauen und grauen Uniform voller Ehrenzeichen und Gold- und Silbertressen zwischen den verschiedenen Gruppen hin und her ging und, ein Glas Carlos I. in der rechten Hand, Huldigungen entgegennahm. Auf einmal erblickte er einen jungen Offizier mit staubigen Stiefeln, der in den fahnengeschmückten Salon stürzte.
»Du bist auf dieser Galaveranstaltung schwitzend und in
Kampfmontur erschienen.« Der Wohltäter wandte seinen Blick jäh dem Minister der Streitkräfte zu. »Es war widerwärtig.«
»Ich kam, um dem Kommandeur meines Regiments Bericht zu erstatten, Exzellenz«, sagte General Roman verwirrt, nach kurzem Schweigen, in dem sein Gedächtnis sich gewiß bemüht hatte, diese alte Begebenheit auszugraben. »Eine haitianische Verbrecherbande ist gestern abend heimlich in das Land eingedrungen. Heute haben sie im Morgengrauen drei Landgüter in Capotillo und Paroli überfallen und sämtliches Vieh mitgenommen. Und außerdem drei Tote hinterlassen.«
»Du hast deine Laufbahn aufs Spiel gesetzt, als du damals in dieser Aufmachung vor mir erschienen bist«, tadelte ihn der Generalissimus mit nachträglichem Zorn. »Gut. Das ist der Tropfen,
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